Rückgabebeirat: "Vier Bäume" von Egon Schiele wird restituiert
In der Belvedere-Ausstellung „Egon Schiele. Wege einer Sammlung“ im Jahr 2018 hing auch das Ölgemälde „Vier Bäume“ aus 1917, von Rudolf Leopold als „das gelungenste Landschaftsbild“ von Egon Schiele bezeichnet. Bruno Grimschitz, Belvedere-Direktor in der NS-Zeit, erwarb es 1943 von der Galerie L. T. Neumann, die gerne Werke feilbot, die Juden zurücklassen oder in der Not weit unter Wert verkaufen mussten. Der Hinweis, dass es sich um eine zweifelhafte Erwerbung handeln könnte, fehlte. Man fand lediglich den Satz, dass dieses Werk das einzige des Schiele-Bestands sei, „das eine mehrjährige Lücke in der Provenienz“ aufweise. Der letzte bekannte Besitzer war der Handelsangestellte Josef Morgenstern.
Auf KURIER-Nachfrage erklärte Kuratorin Kerstin Jesse, dass vom Belvedere ein Dossier für den Kunstrückgabebeirat angefertigt worden sei. Und dieser nahm sich in seiner Sitzung am Freitag dem Fall an. Es empfahl eine Restitution. Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek gab dem KURIER bekannt: "Ich begrüße es sehr, dass der Kunstrückgabebeirat diese Empfehlung ausgesprochen hat. Bundesminister Werner Kogler und ich werden der Empfehlung des ExpertInnen-Gremiums jedenfalls folgen. Dann kann mit der Suche nach den Erbinnen und Erben von Josef Morgenstern begonnen werden. Dies wird in der nächsten Zeit passieren."
Der Fall wird von der Kommission folgendermaßen dargestellt:
Zum Gemälde "Vier Bäume" von Egon Schiele aus der Österreichischen Galerie Belvedere war bislang bekannt, dass es dem Handelsagenten und Juristen Josef Morgenstern mindestens bis 1930 gehörte. So ist es unter anderem auf Fotografien der vom Architekten Otto Bauer eingerichteten Wiener Wohnung des Ehepaars Josef und Alice Morgenstern über dem Kamin hängend zu sehen. Nach dem „Anschluss“ wurde das Ehepaar als jüdisch verfolgt, Josef Morgenstern verlor seine Beschäftigung als Handelsagent bei der Kontinentalen Eisenhandelsgesellschaft Kern & Co. Zusammen mit seiner Frau floh er im August 1938 zunächst auf die jugoslawische Insel Korčula und von dort weiter nach Brüssel.
Nach dem Überfall deutscher Truppen auf Belgien im Mai 1940 wurde Josef Morgenstern von der belgischen Polizei verhaftet und in verschiedenen südfranzösischen Lagern interniert, bis er über das Sammel- bzw. Durchgangslager Drancy bei Paris am 9. September 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Alice Morgenstern überlebte die Jahre bis Kriegsende in Brüssel unter widrigen Umständen.
Gemäß neu aufgefundenen Dokumenten im Österreichischen Staatsarchiv gab sie in den späten 1950er-Jahren gegenüber den österreichischen Behörden an, das Gemälde "Vier Bäume" vor der Flucht dem befreundeten Rechtsanwalt Robert Röhrl zur Verwahrung übergeben zu haben, über den es in der Folge mittels der Wiener Galerie L.T. Neumann im Jahr 1943 von der Österreichischen Galerie angekauft wurde. Weitere Zeugenaussagen belegen, dass das Gemälde bis nach dem „Anschluss“ 1938 im Eigentum Josef Morgensterns gestanden hatte.
370 Gebrauchskarten aus der ÖNB
Eine Rückgabeempfehlung gibt es zudem für eine Sammlung von über 370 Gebrauchskarten (Berg-, Wander-, Straßenkarten etc.) aus der Österreichischen Nationalbibliothek, die ihr ab dem Spätherbst 1938 von der Gestapo zugewiesen wurden und als NS-verfolgungsbedingt entzogen gelten. Ein Teil dieser Karten kommt aus jener Masse von entzogenen Kulturgegenständen, die in der Triester Synagoge gesammelt wurden und wohl aus den Wohnungen deportierter Jüdinnen und Juden der sogenannten „Operationszone Adriatisches Küstenland“ stammten. Nachdem der Beirat damit das Vorliegen einer Entziehung dieser Objekte feststellt, jedoch mangels Vorbesitzerhinweise ausschließt, dass eine Zuordnung zu den konkreten geschädigten Personen jemals möglich sein wird, empfiehlt er die Übereignung an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus zur Verwertung gemäß Kunstrückgabegesetz.
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