Ronja von Rönne: "Sexismus. Meine Güte."
Ronja von Rönne wurde bekannt, weil sie sich mit einem Kommentar für Die Welt bei vielen Feministinnen unbeliebt machte. Sie schrieb: "Ich weiß nicht, ob 'man' im Jahr 2015 in Deutschland den Feminismus braucht, ich brauche ihn nicht. Er ekelt mich eher an. Feminismus klingt für mich ähnlich antiquiert wie das Wort Bandsalat." Seither reiben sich Feuilletonisten, Literaturkritiker und weite Teile der Gesellschaft an ihren Texten, die sie auf ihrem Blog "Sudelheft" oder als Redakteurin für Die Welt veröffentlicht.
Mit "Wir kommen" liegt nun das Romandebüt der 24-jährigen Autorin vor, die gerne mit den Worten "jung, weiblich, talentiert und schön" vorgestellt wird. Das "schön" findet sie übrigens "albern", wie sie im KURIER-Interview betont.
KURIER: Sie werden noch immer auf ihren antifeministischen Kommentar in der Welt angesprochen, wollen aber nicht mehr darüber reden. Warum?
Ronja von Rönne: Es war nie mein Plan, die Galionsfigur des Antifeminismus zu werden. Ich war schlecht gelaunt und wollte ein bisschen poltern, in der ursprünglichen Form - vier Positionen zum Feminismus auf einer Zeitungsseite - schien die Heftigkeit und die Polemik darin in Ordnung. Online stand der Artikel dann alleine, und der Ton war plötzlich völlig unangebracht. Bitte verzeihen Sie, dass ich nicht mehr darüber reden kann. Ich bin des Themas so müde geworden.
Wie sehr haben Sie diese Anfeindungen beim Schreiben ihres Romandebüts beeinflusst?
Im Roman habe ich jede Provokation vermieden. Ich habe Leute gefragt, ob sie das Manuskript nach Stellen durchschauen, die "aus Versehen menschenverachtend klingen". Ich bin völlig neurotisch geworden. Mich hat Provokation an sich nie interessiert. Mir war damals nicht bewusst, dass das Thema ein solches Wespennest ist.
Baut man sich als Autor eine Art Schutzschild auf?
Ich schon, andere lieben die Lautstärke ja. Aber so ganz echt ist es ja nicht. Wenn ich den Laptop zuklappe, ist alles ruhig. Auf der Straße hat mich nie jemand beschimpft, offline sind die Menschen doch ganz zahm.
Und wie gehen Sie mit Rezensionen zu ihrem Buch um?
Früher war das einfach, da konnte man als Autor dem Verlag mitteilen, dass sie einem nur die guten Kritiken zukommen lassen sollen. Bringt heute wenig - ich stolpere online ja doch über jeden Verriss. Ich versuche, distanziert damit umzugehen, mir zu sagen, dass es in diesen Rezensionen ja nicht um mich geht. Meinem Ego ist das allerdings egal, das fühlt sich trotzdem bei jeder miesen Amazon-Bewertung auf den Schlips getreten. Besonders gesund ist die ständige Außenbewertung sicherlich nicht. Am ärgerlichsten sind Rezensionen, die sich um meine Person drehen. Ich kenne mich seit 24 Jahren - besonders interessant finde ich mich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass andere da auch bald drauf kommen, und dann etwas ruhiger wird.
Wie lange haben Sie an dem Buch geschrieben?
Ich hatte für das Buch ein Jahr Zeit – das war die Vorgabe des Verlags. Davon habe ich effektiv nur vier Monate dafür in Anspruch genommen. Davor habe ich mit meiner Lektorin Text generiert – jede Woche musste ich zehn Seiten abliefern. Aus dieser Fülle an Material hat sich dann jene Geschichte entwickelt, die nun im Buch nachzulesen ist. Anfangs war ich beim Schreiben extrem verunsichert, weil ich noch die Kritikerstimmen vom Bachmannpreis in Klagenfurt im Kopf hatte. Eigentlich hätte ich das Buch bereits im September 2015 abliefern müssen, ab da habe ich Deadline um Deadline gerissen, bis das Buch Ende Dezember endlich fertig war.
Der Verlag und meine Lektorin haben ganz viel versucht, damit ich nicht aufgebe - zuerst mit netten Worten, dann wurden sie sehr bestimmt. An psychologischen Mitteln und Versuchen, mich anzutreiben, hat es nicht gemangelt. Aber sie haben mir auch von Anfang an versprochen, das Buch zu verschieben, wenn ich bis zum Abgabetermin nicht zufrieden bin. Ich habe trotzdem sicherlich fünf Mal gegoogelt, wie man sich aus einem Buchvertrag rausklagt.
Und jetzt?
Jetzt bin erleichtert und erstaunt darüber, dass aus dem Word-Dokument, das ich über Monate bearbeitet habe, tatsächlich ein Buch wurde. Als ich es das erste Mal in Händen hielt, fiel sehr viel Ballast von meinen Schultern. Das letzte Jahr war sehr laut und sehr lange.
Sie wohnen zwar in Berlin, sind aber in einem oberbayrischen Kaff aufgewachsen. Wie viel Bayerin steckt in Ihnen?
Das Bayrische war mir nie sehr nahe, denn meine Eltern sind aus Berlin nach Grassau gezogen. Ich bin nicht getauft, die Tochter von zwei "Saupreissen". Mit Trachtenverein war also nichts. So richtig in die Dorfgemeinschaft integriert war ich dort nie. Jetzt kehre ich gerne nach Oberbayern zurück, wenn ich eine Pause von Berlin, Ruhe zum Schreiben brauche. Ich habe auch eine Zeit lang in München gewohnt, dort war es dann noch schrecklicher, weil ich kein Geld hatte. Und München und kein Geld ist eine schlechte Kombination. Dort ist alles extrem teuer. In Wien auch, trotzdem war ich da ganz gerne.
Wie lange waren Sie in Wien, was haben Sie da gemacht?
Nur knapp vier Monate. Ich bin nach Wien gezogen, um an der Universität Publizistik zu studieren. Ich habe aber das Studium nach nur einer Vorlesung wieder abgebrochen.
Warum?
Weil in der Vorlesung hauptsächliche blond gefärbte Mädchen saßen, und jedes einzelne sagte, dass es "später gerne PR machen wollte". Und das wollte ich nicht. Weder blond gefärbt sein, noch PR machen. Aber Wien mag ich sehr gerne - dieses "jo eh" und "ur" ist sehr hübsch.
Sie haben auch beim Wanda Video "Bussi Baby" mitgespielt und dafür erneut Kritik einstecken müssen. Wie kam es zu diesem Videodreh?
Ich wollte letzten Sommer eigentlich einen Artikel über Wanda schreiben und habe nachgefragt, ob ich bei einem Videodreh dabei sein könne. Daraufhin schlug man mir vor, doch einfach mitzuspielen. Mein Job entsprach ziemlich genau meinen schauspielerischen Niveau: Im Bett rumliegen und rauchen. Kann ich beides gut. Die Reaktion auf das Video waren dann ziemlich unangenehm für beide. Ich bin schlicht nicht auf die Idee gekommen, dass es dafür Kritik geben könnte. Ist ja auch Unsinn. Sexismus. Meine Güte. Ich mochte einfach die Band. Ich hatte keine Ahnung, was das PR-mäßig anrichten kann. Vielleicht hätte ich doch das Publizistikstudium machen sollen. Egal. Amore!
Sie liegen also gerne im Bett herum. Wie sieht ein Arbeitstag bei Ihnen aus?
Da ich keinen Job habe, bei dem ich irgendwo hingehen, in einem Büro sitzen muss, bin ich sehr schlecht darin, meinen Tag zu strukturieren. Ich schlafe lange, stehe irgendwann mal auf, weil ich ja auch Texte abgeben muss. Danach bin ich kurz verzweifelt, weil ich Angst habe, dass ich das nicht rechtzeitig hinbekomme. Ich hinterfrage mein Leben, meine Arbeit und verbringe Zeit damit, mir Gedanken über die Zukunft zu machen. Doch noch ein Studium beenden? Waschmaschine anmachen? Oder was könnte ich sonst noch so machen – außer Schreiben? Meistens hänge ich dann noch in der Wohnung herum und schau mir irgendwas auf Netflix an. So richtig in Schwung komme ich erst, wenn es dunkel wird, dann, wenn die Deadline immer näher rückt. Wenn ich dann schreibe bin ich schnell. Ich hätte "Wir kommen" wohl auch nie geschrieben, wenn ich keinen Vertrag dafür gehabt hätte, der mich dazu gezwungen hat. Klingt alles ziemlich unromantisch. Ich hätte doch PR lernen sollen. Meine Antworten hier sind ja furchtbar.
Die Charaktere in Ihrem Roman irren orientierungslos in der Welt herum. Beschreiben Sie damit das Problem einer ganzen Generation?
Das Buch ist auf keinem Fall ein Generationsroman, sondern behandelt eher ein in Großstädten häufig auftauchendes Phänomen: Wer keine fixe Arbeit hat, hat viel Zeit, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Und wer viel über sich und das Leben nachdenkt, hat sicherlich eine höhere Chance, unglücklich zu werden. Grübeln macht nicht glücklich. Nicht mal verstehen hilft wirklich.
Würden Sie sich als Sprachrohr einer Generation bezeichnen?
Ich wurde nicht von einem Haufen Mittzwanziger als ihre Vertreterin gewählt. "Sprachrohr einer Generation" ist auch kein Ausbildungsberuf. Ich versuche lediglich diese, meine Gegenwart zu beschreiben. Daher kann es schon sein, dass sich Menschen meiner Generation von meinen Texten angesprochen fühlen. Das war aber nicht der Plan beim Schreiben, Stimme einer Generation, um Gottes Willen, klingt das bescheuert.
Gab es so etwas wie ein Konzept hinter dieser Geschichte?
Mein Konzept beim Schreiben war es, dass ich kein Konzept hatte. Dann habe ich angefangen, dieses fiktionale Tagebuch zu schreiben. Mit Nora, der Ich-Erzählerin, hatte ich dann meine erste Figur, ein sehr passiver Charakter, der eigentlich kaum etwas macht. Handlungen sind ja auch wirklich schwer zu schreiben. Nora hatte erst einen nervigen Freund, dann einen weiteren. So hat sich dann das Vierergespann entwickelt. Vielleicht wurde ich beim Schreiben von Zeit-Online-Artikeln beeinflusst, die damals veröffentlicht wurden. Darin ging es ständig um Polyamorie. Das fand ich dann wohl als Thema interessanter als das klassische Schema "Boy-meets-Girl".
Wollten Sie überhaupt Autorin werden?
Ich wollte eigentlich immer im Beauty-Ressort einer Frauenzeitschrift arbeiten. Das habe ich mir in jungen Jahren sehr schön und verlockend vorgestellt. So mit hellen Konferenzräumen, alles ganz sauber und Knabbereien bei Redaktionssitzungen. Dazwischen wollte ich Bergwerksingeneurin werden. Daraus ist aber nichts geworden. Das mit dem Job bei der Welt, die Lesung beim Bachmannpreis und nun das Buch – das ist alles durch eine Verkettung von glücklichen Zufällen passiert. So etwas kann man ja nicht planen.
Aber Ihr Blog war schon geplant?
Ich schreibe seit fünf Jahren auf dem Blog, gelesen wird er seit einem. Der Name ist Programm: Das "Sudelheft" ist meine Spielwiese. Dass ihn später nacheinander ein Literaturagent, eine Lektorin und eine Redakteurin für lesenswert hielten, war ein sehr glücklicher Zufall, dem ich jetzt meinen Job als Autorin verdanke.
Sie machen sich in "Wir kommen" über Hipster lustig. Sind sie nicht selber Teil dieser Subkultur?
Natürlich bin ich Teil dieses Hipster-Kosmos, aber ich verachte mich auch dafür. Es fällt einem einfach sehr schwer, sich von seinem Umfeld zu emanzipieren. Und es ist ja auch eine Crux: Der Trend geht zur Individualisierung - entgegensetzen kann man dem also nur den totalen Konsens. Letztlich muss man sich aber nur von der Gesellschaft abgrenzen, wenn man sich als Teil von ihr fühlt. Das tu ich nicht. Also kann ich auch weiterhin genauso aussehen wie alle anderen und gerne püriertes Obst trinken.
Sie widmen Ihren ersten Roman Bita. Wer ist das?
Meine Mutter.
Mütter sind ja bekanntlich nicht so kritisch. Wie findet sie das Buch?
Mein Anspruch an mich selbst war, ein leichtes und unterhaltsames Buch zu schreiben. Ich dachte, bis zuletzt, genau das getan zu haben. Meine Mutter las als erste das Manuskript, rief mich an, und fragte, ob ich schwer depressiv sei. Die erste Fassung zerriss sie mir. Sie ist eine scharfe und harte Kritikerin, und eine fantastische Leserin. Außerdem eine starke Person. Immer gewesen.
Zur Person: Freches Liebkind
Ronja von Rönne sorgte 2015 mit einem provokanten Kommentar für Die Welt zum Thema Feminismus für viel Aufregung – inklusive Shitstorm. Mittlerweile zählt die 24-jährige Wahl-Berlinerin, die im bayerischen Grassau aufwuchs, zum Aushängeschild einer jungen deutschen Autorengeneration. Rönne, die vier Studienabbrüche hinter sich hat, spielt in ihren Texten für Die Welt geschickt mit der Provokation – sie kennt die Codes ihrer Generation und die Mittel der Vermarktung. Daran wird auch ihr erfrischender, aber auch etwas einfach gestrickter Roman "Wir kommen" nichts ändern. Sie hat Talent.
Infos zum Buch: Ronja von Rönne: "Wir kommen". Aufbau Verlag. 208 Seiten. 19,50 Euro. Hörbuch um 19,99 Euro. Es liest die Autorin.
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