Romantischer Liebestod als schwärmerische Verblendung

Romantischer Liebestod als schwärmerische Verblendung
Jessica Hausners exquisites Melodram "Amour Fou" lief als einziger Österreich-Beitrag in Cannes.

Jessica Hausner kennt sich aus in Cannes. Mit ihrem Film "Amour Fou" ist sie bereits zum dritten Mal Gast an der Croisette. Am Freitag lief ihre schöne Arbeit in der Reihe "Un Certain Regard" als einziger Beitrag aus Österreich, der es heuer dorthin schaffte.

In dem exquisiten Kammerspiel "Amour Fou" erzählt die 41-jährige Wienerin von einem Doppelselbstmord – und realisierte mit der Verfilmung dieser Geschichte ein lange gehegtes Projekt. Denn Doppelselbstmorde gelten nicht als Mega-Seller im Kinobetrieb. Umso erfreulicher, dass "Amour Fou" bereits in mehrere Länder (darunter Deutschland und Schweden) verkauft wurde.

Sterbensgenossin

Hausners erster, wunderbar sorgfältig ausgestatteter Historienfilm handelt vom gemeinsamen Freitod des deutschen Dichters Heinrich von Kleist 1811 mit der verheirateten Ehefrau und Mutter Henriette Vogel. Kleist selbst erscheint dabei als narzisstischer Brüter auf der Suche nach einer Sterbensgenossin. Nachdem sich seine Cousine weigert, ist Henriette die nächstbeste Wahl.

Wer sich nun einen romantischen Liebestod als schwärmerische Herzensangelegenheit mit gestohlenen Küssen vorstellt, liegt bei Hausner falsch. Stattdessen erzählt sie in aufgeräumt klaren, beinahe unbeweglichen Bildern von einer romantischen Verblendung. Unruhige Tapetenmuster an der Wand verraten dabei mehr Temperament als Gesichter, (unterdrückte) Gefühle manifestieren sich in der Farbwahl der Kleider.

Eine "romantische Komödie" nennt Hausner ihr implodierendes Melodram, dessen sublime Komik dort entsteht, wo sich die Romantik entzaubert: Ob sie mit dem Dichter leben möchte, will Henriettes Ehemann wissen. "Nein", antwortet diese empört: "Er denkt nur an sich."

Vielleicht bedauert Jessica Hausner, dass "Amour Fou" nicht im Hauptwettbewerb gezeigt wurde. Aber neben Mathieu Amalrics großer Simenon-Verfilmung etwa, die auch in "Un Certain Regard" lief, ist sie in bester Gesellschaft.

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