Vielleicht das letzte Mal
Wenn 15-jährige Söhne ihre Väter und 70-jährige Väter ihre Söhne um Tickets für die Rolling Stones fragen: dann weiß man, dass es hier um etwas Besonderes geht. Vermutlich ist es das letzte Mal – this could be the last time.
Seit 1980 wird den Rolling Stones unterstellt, auf Abschiedstournee zu gehen. Damals war Mick Jagger Ende 30, und ein Rockstar mit 40 erschien unvorstellbar. Die Stones selber haben nachweislich nie das Wort "Abschiedstour" in den Mund genommen. Ende der Neunzigerjahre fragte Mick Jagger auf einer Pressekonferenz scherzhaft seinen neben ihm stehenden musikalischen Partner: "Mr. Richards, ist das jetzt die letzte Tour?" Keith Richards antwortete: "Natürlich! Bis zur nächsten..."
Diesmal aber riecht es tatsächlich nach Abschied. Mick Jagger wird im Juli 71, Keith Richards im Dezember, Schlagzeuger Charlie Watts wurde Anfang Juni 73. Ron Wood, seit 1975 dabei und folglich auf Lebenszeit "der Neue" in der Band, ist seit zwei Wochen 67, und damit fast noch in der Pubertät.
Wenn man das gemächliche Tempo der Rolling Stones in die Rechnung einbezieht, dann wären Jagger und Richards bei der nächsten Tour knapp 80 Jahre alt, und Watts ginge auf die 90 zu – das kann und will man sich dann doch nicht vorstellen.
Mick Jagger im Porträt
In Form
Die laufende Tournee trägt den Titel "14 On Fire", läuft aber in Wahrheit seit 2012. Als besondere Geste gegenüber ihrer eigenen Vergangenheit und den Fans haben die Stones auf der Tour ihren ehemaligen Gitarristen dabei, den genialen Mick Taylor, der 1975, entnervt von Ego-Kriegen, ausgestiegen war. Er kommt bei zwei oder drei Songs auf die Bühne, vor allem bei der wunderbar bösartigen, atemlosen Blues-Moritat "Midnight Rambler".
Auffällig ist auch – jeder kann das via YouTube überprüfen –, dass die Band, die früher berüchtigt war für spektakulär vergurkte Konzerte, auf dieser Tour ohne Formschwankungen agiert. Das ist einerseits einem ruhigeren Rhythmus geschuldet (nur alle drei Tage ein Konzert), andererseits dem Lebenswandel – angeblich sind alle trocken und drogenfrei.
Video: Rolling Stones in Paris, 2014
Im Vergleich: Hyde Park, 1969
Hits von „Start Me Up“ bis „Satisfaction“
Das Konzert. Die Setlist der Stones-Konzerte variierte zuletzt kaum. In Berlin spielten sie vergangene Woche diese Titel: Start Me Up / You Got Me Rocking / It’s Only Rock ’n’ Roll / Tumbling Dice / Waiting On A Friend / Doom & Gloom / Get Off Of My Cloud (per Internet-Abstimmung gewählt) / Out Of Control / Hony Tonk Woman / You Got The Silver (Gesang: Keith Richards) / Can’t Be Seen (Gesang: Keith Richards) / Midnight Rambler / Miss You / Gimme Shelter / Jumping Jack Flash / Sympathy For The Devil / Brown Sugar. Zugaben: You Can’t Always Get What You Want / Satisfaction.
In Paris drei Tage später tauschten „Start Me Up“ und „Jumping Jack Flash“ die Plätze, statt „Waiting On A Friend“ kam „Wild Horses“, und bei der Publikumswahl gewann „Bitch“.
Anreise. Die Veranstalter ersuchen die Zuschauer dringend, nicht mit dem Auto anzureisen, da es kaum Parkplätze gibt. Stattdessen sei es empfehlenswert, mit der U2 bis zur Station „Stadion“ zu fahren oder mit der U3 bis „Schlachthausgasse“, und von dort zum Stadion zu spazieren. Die Eintrittskarten gelten auch als Ticket für die Öffis. Einlass ist ab 18.00 Uhr. Die Vorgruppe The Temperance Movement spielt ab 19.30.
Die Bandgeschichte der Rolling Stones
Zwei geradezu klassische Auftakt-Songs haben die Rolling Stones im Programm: "Start Me Up"(logisch) und "Jumping Jack Flash". Auf der laufenden "14 On Fire"-Tour eröffneten sie acht Mal mit "Jumping Jack Flash", fünf Mal mit "Start Me Up", einmal war "Get Off Of My Cloud" das erste Stück der Show. Der Abschluss ist dagegen immer gleich: "You Can’t Always Get What You Want" und danach das unvermeidliche "Satisfaction".
Seit 49 Jahren
Die Show der Rolling Stones am Montagabend im mit 55.000 Besuchern ausverkauften Ernst-Happel-Stadion ist bereits das 14. Konzert der Band in Österreich. Zum allerersten Mal spielten sie am 17. September 1965 hier, in der Wiener Stadthalle – also vor 49 Jahren (!). Ein Konzert dauerte damals eine knappe halbe Stunde. "Satisfaction", damals ein aktueller Hit, war schon im Set.
Am 2. April 1967 waren die Stones wieder in der Stadthalle und spielten zwei Konzerte an einem Tag. Gespielt wurden Stücke, die auch heute noch oft im Programm sind: "Paint It Black", "Get Off Of My Cloud" und "Let’s Spend The Night Together", außerdem Lieder wie "Lady Jane", "Going Home" oder "Yesterday’s Papers".
Nächster Auftritt war am 27. September 1970 in Wien, Mick Taylor – der derzeit als Gast dabei ist – war neu in der Band. Geboten wurde jene Show, die man von dem Live-Album "Get Yer Ya-Ya’s Out" kennt – mit "Jumping Jack Flash", "Honky Tonk Woman", "Stray Cat Blues", "Love In Vain" und "Street Fighting Man" als Abschluss.
1973 gastierten die Stones in Wien (1. September) und in Innsbruck (23. September, Olympiahalle). Geboten wurden neben den Hits Songs des aktuellen Albums "Goat’s Head Soup" wie "Star Star", "Dancing With Mr. D" und "Angie".
Am 23. Juni 1976 gab es wieder ein Konzert in der Wiener Stadthalle: "Honky Tonk Woman" am Beginn, aktuelle Stücke wie "Hey Negrita", "Hot Stuff", "Hand Of Fate", und am Ende die Hits. Gast-Keyboarder Billy Preston durfte mit den Stones zwei Solostücke spielen.
Am 3. Juli 1982 spielten die Stones dann zum ersten Mal im Wiener Stadion. Eine hart umarrangierte Fassung von "Under My Thumb" war die Eröffnung, zudem gab es viele Stücke vom aktuellen Hit-Album "Tattoo You".
Am 31. Juli 1990 waren sie wieder da, es gab erstmals eine große Begleitband, großes Show-Spektakel und erstmals Vorwürfe, hier werde nur Nostalgie geboten. In der Setlist fanden sich Raritäten wie "2000 Light Years From Home".
Großer Zirkus
Dieses grundlegende Konzept wurde bis heute nicht geändert: 1. August 1995 in Zeltweg/Spielberg ("Not Fade Away" war der ungewöhnliche Eröffnungssong), 11. Juli 1998 in Wiener Neustadt (mit "Flip The Switch" und "Anybody Seen My Baby?"), 31. Mai 1999 in Imst ("Route 66" wurde wieder ausgegraben), 18. Juni 2003 im Happel-Stadion (mit "Can’t You Hear Me Knocking?") und am 14. Juni 2006 ebendort ("She’s So Cold" wurde gespielt, zumindest etwas, was so ähnlich klang). Die Stones waren und sind, trotz wechselnder Konzert-Qualität: der größte Rock-’n’-Roll-Zirkus der Welt.
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