Rolling Stones: Ohne Sentimentalität in Hochform
Hey hey hey, uh-hu. Hey Hey Hey uh-hu.” 65.000 Leute im Londoner Hyde Park kennen ihren Part, geben alles, singen mit, wedeln mit den Armen, hüpfen, tanzen. Es ist schon nach 22.00 Uhr und nach einem glühenden Tag immer noch heiß. Aber das ist ein Konzert der Rolling Stones! Das ist „Brown Sugar“, es ist kurz vor der Zugabe und niemand weiß, wie oft man das noch erleben kann. Und die legendärste aller Rockbands ist wieder richtig gut in Form gekommen, auf dieser „50 & Counting“-Tour.
Die heißt so wegen des 50-jährigen Band-Jubiläums, das eigentlich schon 2012 stattfand. Aber auch, weil Sänger Mick Jagger sich und seine Band noch nicht am Ende sieht, lieber die Jahre weiterzählen will, vielleicht noch auf den 55er kommen.
Was er wenig macht, ist sprechen. Fast auf den Tag genau 44 Jahre nach dem denkwürdigen ersten Hyde-Park-Konzert sind Jagger, die Gitarristen Keith Richards und Ronnie Wood und Drummer Charlie Watts auf den Rasen zwischen Marble Arch und Hyde Park Corner zurückgekehrt. Aber es gibt kaum Sentimentalitäten oder überraschende Gäste und nostalgische Gesten. Nur einmal zieht sich Jagger ein langes weißes Hemd über, das er so mit einem Gürtel bindet, dass es aussieht wie das weiße Kleid, das er am 5. Juli 1969 trug. Und als nach dem Blues-Gitarristen Gary Clark Jr., der schon am Nachmittag mit einem eigenen Set zu sehen war, Ex-Gitarrist Mick Taylor für ein paar Songs dazu kommt, lässt sich Jagger dazu hinreißen, doch kurz an die Vergangenheit zu denken: „Damals im Hyde Park . . das war Micks aller erste Show mit uns!“ Aber kein Wort davon, dass die Stones damals dem kurz davor verstorbenen Gründungsmitglied Brian Jones gedachten.
Fotos aus dem Hyde Park
Es gibt auch keine weiteren Gast-Musiker, nicht einmal Ex-Bassist Bill Wyman ist dabei. Aber das stört nicht. Denn im 51. Karriere-Jahr klingen die Stones so wie sie hier und jetzt auf der Bühne stehen saugut. Weit besser als auf der Tour von 2006 – konzentrierter, animierter und bluesiger. Wie eine eng zusammengeschweißte Roots-Rock-Band, die Musik machen will, nicht wie eine konfuse Kombo, die dem Legenden-Status nichts als aufblasbare Monster oder Riesen-Titten und das Abspulen von Hits entgegenzusetzen hat.
All das lenkt den Fokus wieder mehr auf die Musik, auf all diese Songs, die wir so lange schon lieben. Denn Hits gibt es auch im Hyde Park jede Menge. Nur gelegentlich ist weniger Bekanntes zwischen „Paint It Black“, „Start Me Up“, „Tumbling Dice“ und „Honky Tonk Woman“ gestreut. Etwa „Doom And Gloom“, die Single vom Vorjahr, einer von zwei neuen Songs auf der Greatest-Hits-Kopplung „GRRR!“. Oder der leise Blues-Song „You Got The Silver“, gesungen von Keith Richards, gespielt mit zwei akustischen Gitarren. Aber der ist auch ohne strampfende Gitarren und mitgrölende Massen ein echtes Highlight.
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