„Es bleibt kein Wort Wagner übrig“, sagt Christopher Rüping im Gespräch mit dem KURIER. „Wer auf einen ,Ring‘ hofft, der könnte sehr enttäuscht werden. Denn das Zauberwort dieser Produktion heißt Korrektur. Wir wollen Wagner in seiner Anmaßung korrigieren und jenen Figuren im ,Ring‘ eine Stimme geben, die bei Wagner kaum eine haben.“
Soll heißen: Es geht hier nicht um Siegmund, Sieglinde, Siegfried, Wotan oder Hagen (der kommt gar nicht vor), sondern um Alberich, Erda, Fricka, die Riesen, den Drachen oder um „die von Männern gegängelte“ Brünnhilde.
Rüping: „Wir haben dieses Werk in einen neuen Kontext und auch in eine neue Musik gesetzt. Denn Wagner war Rassist, Antisemit, Sexist. Das beste Beispiel dafür ist die Zeichnung von Alberich, der Zwerg, der bei uns eine ganz zentrale Rolle spielt und sich über sein Zwergendasein erhöhen darf.“ Ebenso wie die Riesen.
Und natürlich der Drache. Rüping lachend: „Der Drache hat mit Abstand meine größte Sympathie, denn er hortet den Hort und weiß ganz genau, dass er den Ring nicht herausgeben soll. Sonst kommt nur die Götterdämmerung.“
Doch was bleibt in dieser Neudeutung von Wagners Musik? Rüping: „Auch da haben wir eine Gegendarstellung, eine Gegengesellschaft zur Idee des Gesamtkunstwerks geschaffen. Acht Musikerinnen oder Musiker haben ganz unterschiedliche Miniaturen zu Wagner geschaffen, die unter der Leitung von Black Cracker aufgeführt werden. Da hat man dann von elektronischer Musik über Club-Sound bis zu einem Walkürenritt für Flöten das ganze Spektrum. Nichts klingt nach Wagner, aber dennoch ist Wagner allgegenwärtig.“
Doch würde es Rüping auch reizen, den „Ring“ für die Opernbühne zu inszenieren? „Nein! Mit Wagner bin ich fertig. Ich habe in den vergangenen Jahren viele Anfragen für Opernregie bekommen, aber bis dato alle abgelehnt. Ich denke, mit unserem ,Ring‘-Orchester – so nennen wir es – ist das für mich abgearbeitet. Aber ich habe mich von der Bayerischen Staatsoper zu einem Projekt überreden lassen. Wir werden Claudio Monteverdis Oper „Il ritorno d' Ulisse in patria“ in München neu befragen.“
Denn: „Es gibt in der Kultur ein paar immer wieder gespielte Säulenheilige wie Wagner, Shakespeare, Nestroy, Schnitzler. Ich finde, die darf man auf ihre heutige Relevanz abklopfen. Man muss sie nicht ausreißen. Aber vielleicht ist es gut, Traditionen über Bord zu werfen.“
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