Rick Astley: "Paulrolling klingt nach nichts"

Den 50. Geburtstag nahm Rick Astley zum Anlass, mit einem Soul-Album ein Comeback zu wagen.
Der 80er-Jahre-Star spricht über lächerliche TV-Auftritte und "Rickrolling".

1987 wurde Rick Astley mit "Never Gonna Give You Up" zum Star. Nach fünf Jahren in der Hitfabrik von Stock, Aitken & Waterman (Kylie Minogue, Bananarama, Jason Donovan) zog er sich zurück. Erst als im Internet das Phänomen "Rickrolling" aufkam, bei dem der User zu einem vermeintlich spannenden News-Clip geführt wird, dann aber das Video zu "Never Gonna Give You Up" sieht, wurde sein Name wieder bekannt. Im KURIER-Interview erzählt der 50-Jährige, wie das seine Karriere und sein Comeback mit dem neuen Soul-Album "50" beeinflusst hat.

KURIER: Warum starten Sie gerade jetzt zum Comeback?

Rick Astley: Weil ich fünfzig geworden bin und dachte, das könnte ich feiern - auch wenn das eventuell nur für mich, meine Mum und ein paar Freunde ist. Im vergangenen Jahr habe ich viele Songs über mein Leben geschrieben. Darüber, wie viel Glück ich hatte, und über viele andere Dinge, die mir in all der Zeit etwas bedeutet haben. "Angels On My Side" handelt zum Beispiel von all den Leuten, die mir beigestanden sind, egal ob als Kind, während meiner Pop-Karriere oder danach und auch jetzt noch. Und gut, ich hatte zwar lange Zeit keinen Hit mehr, ich bin aber in den letzten zehn Jahren immer wieder live aufgetreten. Dabei kam über die sozialen Medien häufig die Frage: Wann bringst du denn eine neue Platte raus? Das hat sicher auch mitgeholfen.

Sie sagten, Sie hatten keinen Hit mehr. Haben Sie das vermisst, obwohl der Charts-Zirkus der Grund dafür war, dass Sie aufgehört haben?

Es gab sehr viele Gründe für mich, aufzuhören. Es hat mir einfach keinen Spaß mehr gemacht, war langweilig geworden. Zu einem Tape von deinem Song in einem TV-Studio zu mimen – das kannst du in Tokyo oder Buenos Aires oder London tun, aber es ist immer dasselbe. Und eigentlich ist es ja verrückt! Das gibt es sonst in keiner Kunstform, dass man will, dass ein Künstler nur vorgibt, das zu tun, was man von ihm erwartet. Oder können Sie sich einen Fußballer vorstellen, dem man sagt: ,Hier ist der Ball, aber schieße keine Tore damit!‘? Aber damals waren TV-Shows und tolle Videos das große Ding, das einzig wichtige. Dass du auf eine Konzert-Tour gehst hat niemanden interessiert, weil du damals alleine mit den Plattenverkäufen Millionen gemacht hast. Alle waren happy, wenn sie einen namhaften Künstler im TV hatten. Nur wirklich live singen durfte er nicht, weil den Soundleuten das zu mühsam war. Das hat sich jetzt zum Glück wieder geändert, und die TV-Produzenten bestehen darauf, dass die Künstler live singen.

Fanden Sie es vielleicht auch deshalb langweilig, weil Sie nicht in die Musik involviert waren, nicht Ihre eigenen Songs schreiben konnten?

Das hatte aber auch viel damit zu tun, dass dafür keine Zeit war. Und ich war halt ein Pop-Star und kein Musiker oder in einer Band wie U2. Für die war es sicher auch damals etwas anderes. U2 haben nie eine dieser TV-Shows gemacht, in denen ich permanent war. Aber klar, für mich hatte es nur sehr wenig mit Musik zu tun. Und deshalb dachte ich zum Schluss: ,Was zum Teufel mache ich da eigentlich?'

Warum haben Sie sich dann aber auf den Deal mit Stock, Aitken & Waterman eingelassen? Sie mussten doch wissen, dass das eine derartige Hitfabrik ist.

Nein, denn ich hatte noch als Teenager bei ihnen unterschrieben, als sie eine kleine, winzige Produktionsfirma und gerade mal einen Hit gehabt haben. Der Deal war, dass ich mir das alles erstmal anschaue, bevor ich selbst etwas aufnehme. Ich habe ein Jahr lang für all die Acts, mit denen sie Hits hatten, Tee gemacht und die Sandwiches besorgt. Und ich war ein Kind. Niemand hat mir je erklärt, wie das Business läuft. Ich dachte damals auch nicht: ,Ich will einen Hit!‘ Ich dachte: ,Toll, dann kann ich für einige Zeit in London leben und viel lernen.‘ Dann wurde gleich meine erste Single "Never Gonna Give You Up" ein Welthit und boom – dann ging es los.

Fühlten Sie sich je von Stock, Aitken & Waterman ausgenützt?

Das ist schwer, wenn man gerade den größten Hit des Jahres hatte, der einen Song von Michael Jackson und einen von Madonna geschlagen hat. Da fühlt man sich nicht ausgenützt. Und wie gesagt, ich war bei jeder Session ihrer Hits anwesend. Ich war abends mit ihnen im Pub, um neue Verträge mit ihnen zu diskutieren. Ich fühlte mich als einer von ihnen. Und ich sage nicht, dass alles, was sie gemacht haben, großartig ist. Für mich haben sie zum Schluss zu viele Platten gemacht, die wie ihr voriger Hit geklungen haben. Andererseits ist das bei Motown auch nicht anders: Wenn du nicht wirklich ein Freak bist und alle Intros kennst, dann fragst du dich am Anfang eines Songs auch: ,Sind das jetzt die Temptations oder die Four Tops?‘ Das erkennst du erst, wenn die Lead-Stimme einsetzt.

Dann haben Sie es nie bereut, mit Pop anstatt mit Ihrem geliebten Soul gestartet zu sein?

Nein, nie! Ich verstehe schon, dass es wie ein Fehler wirken kann. Aber bei allem, was mir damals vielleicht keinen Spaß gemacht hat, hatte ich auch immens viel Großartiges, das ich nicht missen will. Es war nicht so, dass ich von einer Hit-Maschine aufgesogen und am anderen Ende wieder ausgespuckt wurde. Mein Ansatz ist außerdem ohnehin immer: Ich habe jetzt ein großartiges Leben! Ich habe eine fantastische Frau, eine wunderbare Tochter. Alles, was mich hierher gebracht hat, ist gut.

In dem Song „Keep Singing“ erwähnen Sie, dass Sie als Kind im Elternhaus oft Angst hatten. Ist das eine wahre Story?

Ja, das stimmt. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich ein Kind war. Ich bin nicht in dem fröhlichsten Haus der Welt aufgewachsen und wollte eigentlich nicht zuhause sein. Auch später wollte ich nicht viel mit meiner Mutter oder meinem Vater zusammen sein, weil sie beide sehr unglückliche Menschen waren. Das war mir damals vielleicht nicht so bewusst. Aber wenn ich jetzt zurückschaue, denke ich: ,Kein Wunder, dass ich so viel in der Schule war, an den Nachmittagen dauernd für Ausführungen mit dem Schulchor oder dem Kirchenchor geprobt habe.‘ So bin ich zur Musik gekommen. Und später als Teenager war ich Schlagzeuger in einer Soul-Band und wurde deren Sänger, als der ursprüngliche Sänger ausstieg. Dabei hat mich Pete Waterman entdeckt.

Ist die Scheidung der Eltern vielleicht auch ein Grund, dass Sie mit 27 aus dem Pop-Biz ausstiegen und lieber bei ihrer Familie sein wollten?

Das spielte sicherlich mit. Ich weiß nicht, ob das ein allgemeingültiges Phänomen ist, aber irgendwie ist es schon bezeichnend: Ich habe zwei ältere Brüder und eine ältere Schwester. Und sie sind alle - wie ich - immer noch mit den Menschen verheiratet, mit denen sie seit 30 Jahren zusammen sind.

In all den Jahren vor dem Comeback haben Sie auch für andere Leute Songs geschrieben . . .

Ich habe das versucht, aber ehrlich gesagt, das war nicht mein Ding. Ich glaube, es ist ein anderes Talent, zu erkennen, was jemand anderer in einem Song für sich braucht, um glaubwürdig zu sein. Dazu bin ich entweder zu selbstbezogen oder zu dumm. Dazu kam, dass gerade als ich das probierte, Auto-Tune aufkam - dieses Programm, dass jeden falsch gesungenen Ton richtig stellt. Ich habe das gehasst. Da war ich in einem Studio mit Leuten, wo ich dachte: ,Du siehst super aus und hast wunderbares Haar. Aber du kannst nicht singen!‘ Aber da war ein Manager, der dachte: ,Diese Person sieht gut aus, kann tanzen und sagt in Interviews immer das Richtige - aus der mache ich einen Popstar.‘ Für mich war das eine verdrehte Welt. Damals war es wirklich völlig egal, ob jemand singen konnte. Zum Glück haben wir auch das jetzt überwunden, haben viele fabelhafte Sänger und Sängerinnen. Adele ist die größte Künstlerin der Welt. Und der Grund dafür ist, dass sie singt, was ihr am Herzen liegt. Dass die Leute spüren, dass das echt ist, dass sie sagen, ich fühle, was sie ausdrücken will.

Wie haben Sie das erste Mal von "Rickrolling" gehört? Und wie hat es Ihre Karriere beeinflusst?

Ein Freund in Amerika, den ich schon sehr lange kenne, hat mir zwei Rickrolling-Links geschickt. Weil ich nicht wusste, was das soll, habe ich ihn angerufen und gefragt. Aber meine Karriere hat das glaube ich nicht sehr stark beeinflusst. Natürlich hat dadurch eine neue Generation einen Bezug zu meinem Namen. Aber die werden deshalb sicher nicht sagen: Ich muss mir jetzt ein Konzert von ihm anschauen oder die neue Platte kaufen. Es ist schon verrückt, dass das so ein Ding geworden ist. Aber das ist ja das Schöne am Internet: Irgendwer denkt sich etwas Spaßiges aus und es geht rund um die Welt. Auch der Gedanke, dass irgendeine Band in Neuseeland in der Garage probt, sich dabei aufnimmt und die ganze Welt ihr Video sehen kann – fantastisch! Das war, als ich als Musiker angefangen habe, ein verrückter Traum aus einem Science-Fiction-Film.

Haben Sie herausgefunden, wer „Rickrolling“ aufgebracht hat?

Es gibt einen Typen in den USA, der das für sich in Anspruch nimmt. Ich sollte ihn sogar einmal bei einer Konferenz für einflussreiche Personen im Internet treffen. Aber dann dachte ich, nein, das hat eigentlich nichts mit mir zu tun. Da hat sich irgendein Typ einen Spaß gemacht und gedacht: ,Oh, das ist ein billiges 80er-Jahre-Video, ich nehme das‘. Es hätte so leicht ein ganz anderer Künstler sein können.

Der Song an sich hat dabei keine Signifikanz?

Nein, das war Zufall. Vielleicht hat der Typ auch gedacht "Rickrolling" klingt gut mit den beiden R im Namen. "Davidrolling" oder "Paulrolling" klingt ja nach nichts.

Kommentare