Richard Ford: Was dich nicht umbringt, bringt dich später um

Kaum älter als sein Frank: Richard Ford, 71, bekam 1996 den Pulitzerpreis. Er lebt am Atlantik im US-Staat Maine.
Wiedersehen mit einem, der sich durchgewurstelt hat.

Sollte man nicht ab einem gewissen Alter Dinge über Bord werfen, sich einiges abgewöhnen – und bei der Sprache beginnen?Sollte man nicht wenigstens auf Redewendungen wie "Was springt dabei heraus?" verzichten? Auf "Kein Problem" (wenn man "gern geschehen" meint) unbedingt.

"Fuck" nicht.

"Fuck" ist gut. Frank Bascombe will dieses Wort weiterhin im Repertoire haben. Frank Bascombe?

Das ist eine Überraschung! Er hat den Prostatakrebs überlebt.

In drei Romanen hat sich Frank, dieser amerikanische Alltagsheld, durchs Leben gewurstelt: "Der Sportreporter" (1986), "Unabhängigkeitstag" (1995) und "Die Lage des Landes" (2006).

US-Schriftsteller Richard Ford war ihm gnädig.

Ford ist 1. immer großartig und 2. berühmt dafür, dass er seine Figuren zeigen lässt, wie man alles vergeigt, aber doch noch ein Plätzchen fürs Weiterleben hat.

Sein Frank alterte von Buch zu Buch um ein Jahrzehnt – wie einst John Updikes "Rabbit".

Wobei Frank immerhin Obama gewählt hat ("Rabbit" sympathisierte mit Reagan ... und fand Perry Como besser als Frank Sinatra).

Frank ist weise genug, um den Spruch "Was uns nicht umbringt, macht uns stärker" blöd zu finden.

Er ist überzeugt: Was dich nicht umbringt, bringt dich später um.

Ein guter Mensch will er sein: In den Regionalnachrichten liest er einmal pro Woche den Blinden etwas vor.

Bloß eine Geschichte

Im abschließenden vierten Buch ist Frank 68.

Vier Erzählungen sind es, die an der Ostküste spielen, nachdem Hurrikan Sandy gewütet hat. Das unterstreicht, was in Menschen tobt und sie umhaut.

"Frank" geht in die Vergangenheit zurück, um die Gegenwart auszuhalten. Er ist der Ich-Erzähler, das erspart dem Autor, ihn zu mögen oder zu verachten.

Frank besucht seine erste Ehefrau, von der er seit 30 Jahren geschieden ist; sie hat Parkinson. Er plaudert mit einem sterbenden Freund. Er besichtigt sein früheres Strandhaus, das der Sturm zerstört hat ...

Das ist nicht nur traurig, sondern auch komisch. Vor allem ist Richard Ford Philosoph. Er lässt ungezwungene (innere) Monologe halten, in denen sogar "lächeldilächel" fällt – und plötzlich steht da zum Kiefeln:

"Die Ehe ist bloß eine Geschichte, die so tut als wäre sie die einzige Geschichte ..."

Sollte man nicht Neuigkeiten – wie Frank – sammeln, die keine sind? Nur, um zu spüren, wie lächerlich alles ist. Z. B. haben Ärzte festgestellt: Wer selbstmordgefährdet ist, hat zu selten versucht, an Positives zu denken! Das soll eine Neuigkeit sein?

Richard Ford: „Frank“. Übersetzt von Frank Heibert. Verlag Hanser Berlin. 224 Seiten. 20,50 Euro.

Olav ist ein guter Mensch. Dass er Auftragskiller ist, ändert daran nichts. Einmal musste Olav einen vierfachen Vater erschießen. Er hat deshalb sein Honorar heimlich der Witwe zukommen lassen. Er hat auch einer taubstummen Prostituierten geholfen, damit ihr Zuhälter sie in Ruhe lässt. Seine Mutter hat Olav immer "Sensibelchen" genannt, und wahrscheinlich wäre er Dichter geworden. Leider braucht er zu lange, um etwas aufzuschreiben. Schießen kann er besser. Olav stellt sich dann vor, er habe es mit einem "Stück" zu tun. Manchmal sagt er dem "Stück" noch, bevor er abdrückt, dass es nichts Persönliches sei, warum er jetzt gleich den Mord begehe.

Bei Corina denkt er nicht an ein "Stück". In sie verliebt er sich. Sie bewegt sich so schön katzenhaft. Olav soll sie expedieren – das ist der Fachjargon, Olav ist beruflich Expedient. (Er versendet "Stücke".) Corina ist die Frau vom Chef, dem Drogenboss. Sie hat ihren Mann betrogen. Nein, da spielt Olav nicht mit.

Sehr kalt

Der Norweger Jo Nesbø hat schon bewiesen, dass er keine Kultfigur braucht, um von der ersten Seite an zu fesseln. Keinen Harry Hole, das war vor einem Jahr im Kriminalroman "Der Sohn" mit dem neuen Kommissar Simon Kefas deutlich zu merken. Und genau das ist jetzt das Problem von Nesbos neuer Serie: "Der Sohn" war dermaßen großartig, dass man über "Blood On Snow / Der Auftrag" bloß sagt: Oh, eine Fingerübung! Sehr kalt ist es, mit viel blutroter Farbe im Schnee, sehr routiniert geht es zu, viele Haken werden geschlagen, aber nur einer, der allerletzte ist vielleicht etwas überraschend. Dachte denn jemand, die sogenannten wirklich Guten, die sind wirklich gut? Nein, die haben kein Mitleid, nein, die schenken bestimmt nichts her, sondern kassieren. Trotzdem will man nach der kurzen Lektüre wissen, ob es weitergeht in Oslo und wie es weitergeht. Aber das dauert, erst Ende Februar 2016 erscheint Band zwei "Das Versteck".

Jo Nesbø: „Blood On Snow / Der Auftrag“ Übersetzt von Günther Frauenlob. Ullstein Verlag. 192 Seiten. 13,40 Euro.

Kommentare