Letzter Tanz mit dem Fisch

Ein Großer der deutschen Literatur: Siegfried Lenz (1926 - 2014).
Die Erzählung, an der er bis zu seinem Tod schrieb, ist eine Essenz der Menschlichkeit.

Am Ende wird mit einem Hecht getanzt, er wird sogar abgebusselt, und das Schifferklavier spielt dazu. Es werden überhaupt wenige Fische gefangen in dieser letzten, ein Jahr nach seinem Tod erschienenen Erzählung von Siegfried Lenz, "Das Wettangeln".

Unter Schmerzen schrieb der 88-Jährige den Text an seinen Schreibtischen in Hamburg und in Dänemark zu Ende.

Ein Aal, schon an Land gezogen, flüchtet schlängelnd ins rettende Wasser.

Ein anderer Fisch, wahrscheinlich der große Wels, verbarrikadiert sich im Schilfsaum, die Schnur war nicht zu halten, er schnellte hoch, tauchte weg, verschwand in der Tiefe ...

Streicheln

Aber das macht gar nichts. Derartige Misserfolge trüben das Glück nicht. So gefiel es Siegfried Lenz , der als Kind fischen lernte, bevor er zum Lesen überging.

Freunde wissen, Lenz habe die von ihm gefangenen Fische am liebsten bloß anschauen wollen und streicheln. Nicht töten, nicht essen.

Freunde wie der ehemalige Hoffmann-und-Campe-Verleger Günther Berg wissen auch, dass sich Lenz in dem schönen Text zwei Mal verewigt hat:

Der Schriftsteller, der mit "Deutschstunde" (1968) weltberühmt wurde, ist einerseits der alte Mann im Rollstuhl – der Schiedsrichter des Wettangelns im fiktiven Ort Thorshafen an der Ostsee. Für die Alten ist also noch Platz! Allerdings stürzt er auf dem Hangweg am Ufer des Sees.

Und andererseits ist Lenz der junge Mann: Er kommt dem Alten zu Hilfe (also sich selbst, ein schöner Gedanke) und lernt dann dessen Nichte kennen.

Letzter Tanz mit dem Fisch
zeichnung aus lenz buch DAS WETTANGELN, mit genehmigung des verlags honorarfrei
Das Wasser ist wichtig, aber nicht wegen der Hechte und Welse und Aale, sondern um einander näher zu kommen, um einander bei Sonnenschein einzucremen, um ein Liebespaar zu werden.

"Das Wettangeln" – gedruckt in einer Auflage von 50.000 Exemplaren – besteht aus wenigen Zeilen und tollen Zeichnungen. Das ist eine letzte Essenz der Menschlichkeit, die Lenz aus unzähligen Wörtern destilliert hat.

Aber weitere Bücher von ihm wird es bestimmt geben: Man rechnet, es dauere noch zwei Jahre, um den Nachlass zu ordnen. Mit neu entdeckten Kurzgeschichten, Erzählungen und Arbeiten für den Rundfunk ist zu rechnen – mit ersten Schreibversuchen und Frühwerken; und mit der Auswertung der Korrespondenz mit dem Niederländer Cees Nooteboom (der hoffentlich heuer den Literatur-Nobelpreis bekommt). Eine Siegfried-Lenz-Gesamtausgabe soll auf 24 Bände angelegt werden.

Siegfried Lenz: „Das Wettangeln“. Illustriert von N. Heidelbach. Hoffmann & Campe. 44 Seiten. 18,50 Euro.

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