Wenn Annahmeverweigerung ausdrücklich erlaubt ist

Birgit Minichmayr und Martin Wuttke haben mit Pollesch "Cavalcade or Being a holy motor" erarbeitet.
Der Autor über die Uraufführung von "Cavalcade or Being a holy motor" im Akademietheater.

Am Mittwoch wird PolleschsCavalcade“ in der Regie des Schriftstellers uraufgeführt. Ein Gespräch.

KURIER: Was erwartet das Publikum bei „Cavalcade or Being a holy motor“?
René Pollesch:UnsereTitel gibt es immer früher als das Stück dazu. Und manchmal weiß man schon vorher womit man sich beschäftigen wird, und manchmal eben nicht. In diesem Fall war es einfach ein gut klingender Titel, unter dem wir uns vorstellen
konnten, aufzutreten.

Das hat also nichts mit dem Theaterstück von Noel Coward und dem gleichnamigen Film von Frank Lloyd zu tun?
Nein. Auch der Ankündigungstext auf der Homepage des Burgtheaters ist früher entstanden als der Text mit dem wir jetzt auf die Bühne gehen. Aber er hat natürlich trotzdem mit uns zu tun.Dass die Wahrheit noch nie ein Gefühl in uns erzeugt hat. Und dass man nicht ins Theater geht wegen der Wahrheit.

Sie schreiben immer für bestimmte Schauspieler, mit denen Sie diesen Text dann erarbeiten. War bei „Cavalcade“ immer klar, dass Birgit Minichmayr, Ignaz Kirchner und Martin Wuttke spielen werden?
Ja. Ich schreibe aber nicht „für“ die Schauspieler, das heißt, sie sind nicht gezwungen einen Text entgegenzunehmen, was das ja normalerweise meint, wenn jemand sagt, er schreibt oder komponiert etwas „für“ jemanden.

Das soll heißen?
Sie können die Texte, die ich zur Probe mitbringe auch ablehnen. Ein Text ist ja kein Geschenk. Es geht auch nicht darum, ob er gut klingt. Sondern darum, ob die Schauspieler damit etwas anfangen können, ohne dass sie dauernd dafür sorgen müssen, dass sie das tun.

Ist diese Vorgangsweise am Theater der Grund dafür, dass Sie Ihre Stücke nie von jemand anderen inszenieren lassen?
Ja, auch. Vor mehreren Jahren wollte eine Gruppe von Leuten in ChileHeidi Hoh“ aufführen. Ich war damit einverstanden, aber wollte ihnen wenigstens vermitteln, für welche Form von Theater der Text geschrieben ist. Ich bin hingeflogen, aber sie hatten schon angefangen zu probieren und haben mir ihre Ergebnisse gezeigt. Es war ein großes Missverständnis. Jeder denkt, wenn er in einem Manuskript Namen findet mit einem Doppelpunkt dahinter, das wären Dialoge, aber darum geht’s eben nicht.

Sie machen ihre Stücke vor der Uraufführung auch nicht öffentlich zugänglich. Warum?
Weil ich nicht will, dass man unser Vorgehen für das übliche „Literatur wird zu Theater“ missversteht. Das erzeugt vor allem so eine Behaglichkeit, dass es da einen Text gibt, der dem voranging, was dann auf der Bühne zusehen ist. In der zeitlichen Differenz zwischen der Lektüre eines Stückes und dem Besuch des Theaters macht sich die Wirkungslosigkeit breit. Ich bin eher an einer
Wirkung interessiert, als dass man uns darin prüft, ob wir mit der Literatur was Anständiges gemacht haben.

Wie ging diese Arbeitsweise mit ihrem Opernprojekt „Metanoia. Über das Denken hinaus“ im Jahr 2010 zusammen. Da gibt ja die Musik etwas vor . . .
Das war nicht mein Opernprojekt, sondern das von Christoph Schlingensief. Er hatte mich wegen einer erneuten Erkrankung gebeten, ein Exposé für den Komponisten zu schreiben. Das Libretto wollte er später selbst schreiben, aber dazu kam es nicht mehr, und das hat dann der Komponist geschrieben. Eine Assistentin von Christoph hat eine Art konzertante Aufführung organisiert. Ich habe da großartige Erfahrungen gemacht. Da waren Sänger wie Anna Prohaska, Annette Dasch und Daniel Schmutzhard mit an Bord. Ich hatte immer dieses Vorurteil, dass Sänger nicht groß inhaltlich interessiert wären. Aber das war natürlich nicht so. Es gibt eine neue, großartige, aufregende Generation, die sehr offen und neugierig ist. Anna und Annette sind unglaublich intelligente und gebildete Frauen. Und sehr aufgeschlossen dafür, was man mit Oper noch anstellen könnte.

Vielleicht doch wieder Musiktheater?
Es gibt tatsächlich einen konkreten Plan. Dirk von Lowtzow von der BandTocotronic und ich schreiben etwas für die Komische Oper Berlin. Er hat schon die Lieder getextet und komponiert, eine Ouvertüre, Chöre. 2015 ist die Uraufführung. Aber was man wirklich mal an der Oper probieren sollte, ist, dass eine Sängerin entscheiden könnte, was sie wann singt. Zuerst den Schluss und den Anfang erst dann, wenn sie ihn für gerechtfertigt hält.

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