René Magritte: Mörder, Maler, Pinguin

René Magritte: Mörder, Maler, Pinguin
Die Schau "René Magritte - das Lustprinzip" zeigt den Surrealisten in ungeahnter Breite und in einer spannenden Inszenierung.

Das Rezept der Krimispannung beherrschte René Magritte aus dem Effeff. Als passionierter Groschenroman-Leser erkannte er, wie er den Betrachtern seiner Bilder einen dosierten Informationsvorsprung geben, zugleich aber genügend Unklarheiten am "Tatort Leinwand" zurücklassen musste. Der Belgier wusste auch um die Unheimlichkeit bürgerlicher Wohnzimmer, wie sie Walter Benjamin umschrieb: "Auf diesem Sofa kann die Tante nur ermordet werden."
Derartige Spannung ist nicht nur in dem Werk "Der bedrohte Mörder" (1927) offensichtlich. Die Magritte-Ausstellung "Das Lustprinzip" - gemeinsam mit der Tate Liverpool konzipiert und von Kuratorin Gisela Fischer klug für die Räume der Albertina adaptiert - folgt selbst einer Dramaturgie des stückweisen Preisgebens.
Trotz der Fülle des Materials bleibt der Weg durch Magrittes Werk damit kurzweilig, die Aufklärung durch Wandtexte hält mit dem Rätsel der Bilder die Balance - und neben oft gesehenen Ikonen treten immer wieder Überraschungen zutage.

Kreativ

René Magritte: Mörder, Maler, Pinguin

Es ist auch unmöglich, nach den ersten Räumen - hier hängen die mit verhüllten Gesichtern küssenden "Liebenden" (1928) oder das Bild "Der geheime Spieler" (1927) mit seinem düsteren Wald aus gedrechselten Säulen - an der Innovationsgabe des 1898 geborenen Belgiers zu zweifeln. In der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre explodierte Magrittes Kreativität, viele seiner bekannten Bildmotive entstanden zu jener Zeit.
Der Albertina-Schau gelingt es, eine grob chronologische Hängung mit einer Abfolge von Magrittes Motiven und Methoden zu kombinieren. Absurde Konstellationen, Wort-Bild-Kombinationen oder "Gemalte Collagen" sind Überthemen der einzelnen Räume, ein Pfeiler im Saal wurde geschickt als Theorie-Informationszentrum genutzt: Neben einer englischsprachigen Version des berühmten Bildes "Der Verrat der Bilder" von 1935 ("This Is Not A Pipe") hängt hier ein Entwurf des Essays "Les mots et les images" (1929), in dem Magritte über das Verhältnis von Wort und Bild philosophierte.
Der Aspekt, der an Magrittes Werk am meisten nervt - das Selbstzitat, das er durchaus mit kommerziellen Motiven praktizierte - ist in der Schau auf ein Minimum reduziert. Wo das Instrumentarium des Malers zur Genüge
ausgebreitet scheint, wechselt die Schau zu einem Block über Magrittes Arbeit als Werbegrafiker - einem Job, den er nie ganz aufgab.

Pornokammerl

Die "Renoir-Periode" und die "periode vache" der 1940er-Jahre, in der es sich Magritte mit schlecht gemalten Blumen, Pfeifen und Comicfiguren endgültig mit den Hardcore-Surrealisten verscherzte, ist mit wenigen Gemälden schwach präsent. Dafür entschädigen Fotos und Filme jener Kasperliaden, die Magrittes spießiges Image als Maskerade enttarnen. Als Draufgabe ist hinter einer Video-Wand noch ein Pornokammerl mit zotigen Illustrationen versteckt.
Gegen Ende führt eine kleine Durststrecke - Mann, Melone, Apfel, Melone - zum späten Werk "Gemäldeausstellung" (1965) hin. Neben Magritte-Markenzeichen (einer Melone, auf einer gedrechselten Säule drapiert) ist hier plötzlich ein Pinguin dargestellt. Als toller Schlusspunkt nährt das Bild - ein Selbstporträt? - die Hoffnung, dass sich der späte Magritte doch nicht im Selbstzitat erschöpfte, sondern Neues zuließ: Es ist nie zu spät für einen Pinguin.

Magritte: Ein Star des Surrealismus

Der Künstler: René Magritte (1898-1967) war der erfolgreichste Künstler unter den belgischen Surrealisten. Seine Werke sind weltweit in Museen präsent, zuletzt wurde das Bild "Les Vacances de Hegel" um 7,42 Mio. € versteigert.
Die Ausstellung: "René Magritte - das Lustprinzip" ist bis 26. Februar 2012 in der Albertina zu sehen. Gezeigt werden 150 Gemälde und Zeichnungen, dazu 117 Dokumente, Filme, Fotos, Plakate etc.
Der Katalog: "Magritte. A bis Z " (29 €) ist als Lexikon zum Künstler angelegt und auch abseits der Ausstellung höchst informativ.

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