Die Nachricht kam von Hüseyin Tabak, einem deutschen Regisseur mit kurdischen Wurzeln, der in Wien an der Filmakademie bei Michael Haneke studiert hat und eine Hauptdarstellerin für seinen neuen Film „Gipsy Queen“ – derzeit im Kino – suchte: „Bislang habe ich immer nur Filme über Männer gemacht“, gesteht der 38-jährige Filmemacher, zu dessen Werkregister die Dramen „Deine Schönheit ist nichts wert“ (2012), „Das Pferd auf dem Balkon“ (2012) und die Doku „Die Legende vom hässlichen König“ (2017) zählt: „Diesmal wollte ich eine Geschichte von einer starken Frau erzählen. Und einen Film über das Boxen wollte ich sowieso schon immer machen.“
Die Idee, von einer alleinerziehenden Roma zu erzählen, die Boxerin ist, in Hamburg mit ihren beiden Kindern ums Überleben kämpft und „sich für Geld die Fresse einhauen lässt“, traf Tabak „wie ein Blitzschlag“.
Tabak war es zudem wichtig, für die Rolle eine Roma-Schauspielerin zu finden, die auch Romanes, also die Sprache der Roma, spricht. Kein Problem für Alina Șerban. Die 32-jährige Theater- und Filmschauspielerin wuchs in Bukarest auf und stammt aus einer traditionellen Roma-Familie. Das Romanes, das sie im Film spricht, ist die Sprache ihres Vaters. Șerban verbrachte ab dem elften Lebensjahr ihre Kindheit in der traditionellen, väterlichen Roma-Familie in ärmlichen Verhältnissen in Bukarest: „Zu meinen Jugendträumen gehörte es, mir genügend heißes Wasser zum Haarewaschen zu wünschen oder mir vorzustellen, in einer Wohnung mit geraden Wänden zu leben.“
Rassismus und Diskriminierung zählen zu ihren Alltagserfahrungen, wobei: „Je ,höher‘ ich die soziale Leiter hinauf stieg, desto stärker spürte ich den Rassismus. Je besser die Leute gestellt sind, desto eher empfinden sie ihr Privileg als selbstverständlich. Ich bin nicht besser als meine Cousins und Cousinen, aber ich bekam Chancen, die sie nicht bekamen. Ich habe das Privileg einer helleren Haut. Manche merken gar nicht gleich, dass ich eine Roma bin. “
In Reaktion auf diese Erfahrungen entwickelte sich Alina Șerban, die mithilfe eines Stipendiums in London Schauspiel studierte, zur Aktivistin: „Ich bin eine der ersten Roma-Frauen, die Regie führt und auch selbst schreibt“, erzählt sie, die sich in der alternativen Theaterszene in Bukarest einen Namen gemacht hat: „Aber es gibt genug Leute, die mir zu verstehen geben, dass ich hier eigentlich nichts zu suchen habe.“
Aber Alina Șerban lässt sich nicht beirren: „Ich bin jetzt 32 Jahre alt und hatte noch keine Chance, eine Roma auf der großen Leinwand zu sehen, die weder exotisch aussieht, noch wahlweise einen Bösewicht oder ein Opfer spielt. Für mich schreibt ,Gipsy Queen‘ Geschichte.“
Sowohl Hüseyin Tabak wie auch Alina Șerban widmen die Darstellung der willensstarken Boxerin ihren jeweiligen Müttern, die sich ebenfalls durch schwierigste Verhältnisse durchkämpfen mussten, um für ihre Kinder zu sorgen.
Zu der größten Herausforderung für den Regisseur und seine Hauptdarstellerin zählten die Boxkämpfe selbst. Im Finale zeigt Tabak einen Kampf über vier Runden, den er in einer einzigen Plansequenz acht Minuten hindurch gedreht hat.
Die Anforderung dazu waren enorm: „Es gibt keine Filmschnitte, bis sie umfällt. Ich wollte einfach zeigen, dass Boxen kein Action-Film ist“, sagt Tabak: „In Filmen werden die harten Schläge kaschiert. Aber bei uns sind die Schläge echt. Ich wollte, dass die Zuseher wissen: Diese Frau kassiert jetzt. Aber sie kassiert nicht umsonst, sondern für ihre Kinder. Sie ist eine aufopferungsvolle Mutter.“
Alina Șerban selbst trainierte für die Rolle wie eine Löwin: „Ich hatte wirklich Angst, ich würde es nicht schaffen. Und ich konnte Hüseyin auch nur eines versprechen: Ich gebe nicht auf.“
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