Gesichert ist: Im März 1945 wurden im burgenländischen Rechnitz im Zuge eines Fests lokaler Nazigrößen etwa 200 jüdische Zwangsarbeiter ermordet. Wer die Täter waren, wurde nie genau geklärt, sie wurden nie zur Rechenschaft gezogen, ein Hauptverdächtiger verschwand, zwei Zeugen wurden unter mysteriösen Umständen ermordet. Auch die Grube mit den sterblichen Überresten der Opfer wurde bis heute nicht gefunden, die Opfer konnten daher nie angemessen bestattet werden.
Ungeklärt ist auch die Rolle der Gräfin Báttyány, die aus der Thyssen-Familie stammte und ein von juristischer Verfolgung unbehelligtes Leben in Reichtum führen durfte.
Gerüchte besagen, dass man im Ort ganz genau weiß, wo die Leichen liegen, aber über die Geschichte wird bis heute eisern geschwiegen, so sehr sich Historiker auch um Aufklärung bemühen. Immerhin gibt es heute eine Gedenkstätte beim „Kreuzstadel“.
Elfriede Jelinek lässt acht „Boten“ von der Geschichte erzählen, Geister aus der Vergangenheit, die gleichzeitig für die Opfer wie für die Täter sprechen. Michaela Klamminger, Elfriede Schüsseleder, Robert Joseph Bartl, Tamim Fattal. Dominic Oley, Oliver Rosskopf und Götz Schulte geben diesen Schattengestalten deklamierend und singend ihre Stimmen. Montiert ist der Text, wie bei Jelinek üblich, als hoch musikalisches Sprachkonzert, als Toten- und Tätertanz, durchsetzt mit vielen, oft sehr bitteren Wortspielen.
Gräfin
Im Zentrum steht die Figur der „Gräfin“, atemberaubend gut und sehr beklemmend dargestellt von Sona MacDonald. Sie verkörpert die Vergangenheit, die nie zur Ruhe finden kann, gerade weil alle so gerne hätten, dass sie Ruhe gibt.
Regisseurin Anna Bergmann hat die Textflut in vier Abschnitte gegliedert: „Das Fest“, „Die Dienstbotenküche“, „Das Massengrab“ und „Eine Vorstadtsiedlung“. Die artifizielle Inszenierung wird dem Text gerecht, zu hören ist aus Sprache gebaute Trauermusik, durchsetzt mit den grotesken Szenen österreichischer Geschichtsbestattung. Kernsatz: „Es können nicht alle Opfer sein! Jemand muss auch Täter sein, bitte melden Sie sich.“
Höhepunkt der knapp zwei Stunden langen Inszenierung sind die letzten zehn Minuten: In einer Überblendung aus Film und Spiel sammelt Sona MacDonald beim Kreuzstadel in Rechnitz Steine ein – es gibt nur Steine, niemand will wissen, wo die Knochen sind – und bestattet sie. Dazu singt sie das Totengebet, das Kaddisch.
Am Ende gibt es großen Applaus, gestört von einer einsamen Buh-Ruferin.
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