Rapper lesen Rapper: Die Sprache der Straße im Theater

Rapper Leonhard Immervoll (links) und Kabarettist David Scheid.
Heute werden im Wiener brut Hip-Hop-Texte kritisch und humorvoll interpretiert.

Leonhard Immervoll und David Scheid haben sich vor rund eineinhalb Jahren Texte ihrer Lieblingskünstler vorgelesen und gemerkt, dass die Raps ohne Beats anders, manchmal nichtssagend, irgendwie dumm oder einfach nur extrem lustig klingen. "Es war witzig, Texte in einem anderen Kontext zu hören, zu interpretieren und in einen lyrischen Rahmen zu stellen. Dadurch bekommen sie eine andere Dynamik", sagt David Scheid im KURIER-Interview.

Diese gegenseitigen Vorträge seien dann in ihrem Bekanntenkreis gut angekommen und so habe man die Veranstaltung "Rapper lesen Rapper" zu Beginn des Vorjahres ins Leben gerufen. Inspirieren lassen haben sich der Kabarettist David Scheid, der gerade mit seinem Programm "Remix" durch Österreich tourt, und Rapper Leonhard Immervoll, der demnächst als Foz mit Drk ein neues Album ("Himalaya versus Leichenberg") veröffentlicht, von einer Video-Plattform namens "Deutschrap neu interpretiert".

Die erste Veranstaltung wurde vor 50 Leuten in einem Separee eines griechischen Restaurants abgehalten. "Wir hätten damals aber viel mehr Tickets verkaufen können – es waren mehr als doppelt so viele Anfragen da", sagt Immervoll. Für ihn war das ein klarer Auftrag, weiterzumachen. Seither findet der mittlerweile als Hip-Hop-Late-Night-Show angelegte Abend in unregelmäßigen Abständen statt. Heute, Freitag, ist es wieder so weit: "Rapper lesen Rapper" lädt ins Wiener brut zu "Literatur ins Face".

Die Suche nach neuen Rappern für die Show gestaltet sich schwer, denn viele können sich einen Auftritt ohne den Rückhalt von Beats nicht vorstellen. Und andere wollen die Hip-Hop-Kultur nicht im Theater sehen. Daher werden immer wieder genrefremde Künstler eingeladen – diesmal sind es die Schönbrunner Gloriettenstürmer.

Kakao und Testosteron

Die Möglichkeit, einen anderen Rapper, eine andere Rapperin durch den Kakao zu ziehen, ist bei den Lesungen natürlich gegeben. Aber das passiere meistens nicht, so die beiden Veranstalter unisono. Vielmehr diene der Abend dazu, einen Text in ein anderes Licht zu rücken und seinen persönlichen Zugang zu einem Song herauszuarbeiten. Wenn man zum Beispiel einen von Testosteron und Chauvinismus durchzogenen Songtext lieblich vorträgt – wie "Monstershit" von Kool Savas und Azad –, dann kann das unfreiwillig komisch werden.

"Die Interpretation des Textes liegt beim Lesenden – das Resultat kann humoristisch, ernst und sarkastisch ausfallen", sagt Leonhard Immervoll. Bei den bisherigen Veranstaltungen seien stets unterschiedliche Zugänge gewählt worden. Bei der zweiten Ausgabe habe etwa der Rapper Camu "Just A Lil’ Bit" von 50 Cent durch Google Translate gejagt und das Ergebnis im bayerischen Dialekt wiedergegeben. "Bitch" wurde zu Hündin, "Beef" zu Rindfleisch und "Flow" zu Fluss. Am gleichen Abend wurde es aber auch politisch. Con trug als Appell gegen die Flüchtlingspolitik "Oranienplatz" vom Berliner Hip-Hop-Duo Zugezogen Maskulin nachdenklich vor.

Fernsehen

Aufgrund des wachsenden Publikumsinteresses spiele man mit dem Gedanken, die Show ins Fernsehen zu bringen. "In die Dienstagnacht auf ORF würde das ganz gut passen", sagt Scheid hoffnungsvoll. Ausstrahlen könnte man das aufgrund des Jugendschutzgesetzes aber erst gegen Mitternacht. Denn das Hip-Hop-Genre ist reich an Kraftausdrücken, die auch langsam vorgelesen nicht an Rohheit verlieren.

„Literatur ins Face“: Bei „Rapper lesen Rapper“ interpretieren vorrangig Künstler aus der österreichischen Hip-Hop-Szene Texte von Rap-Kollegen. Die Lesung, die im Stile einer Late-Night-Show angelegt ist, findet heute, Freitag, im brut in Wien statt (ab 20.30). Es lesen u. a.: Gerard, DJ Phekt und Mieze Medusa. AK: 9 Euro.

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