Die Pop-Charts sind kaputt - und jetzt?

Die Pop-Charts sind kaputt - und jetzt?
Kommentar: RAF Camora und Bonez MC belegen 13 der ersten 14 Plätze. Deswegen ändert Ö3 nun die Kriterien. Und die Charts werden aussagelos.

Seit Jahren kämpfen die Musikcharts mit dem digitalen Musikkonsum. Seit Streaming einen immer größeren Teil des Konsums ausmacht, haben die Charts ihren ursprünglichen Maßstab verloren: Einst wiesen sie das aus, was die Fans kauften. Das gibt es kaum mehr. Dann konzentrierte man sich auf das, was die Fans hören: Wenn ein Song ausreichend oft gestreamt wird, klettert er in den Charts hoch. Und auch dieser Maßstab ist nun kaputt. Die Charts sind aussagelos geworden.

Nun auch in Österreich: RAF Camora und Bonez MC  belegen die 13 der ersten 14 Plätze der Ö3-Charts: Ihr neues Album ist derart erfolgreich beim Streamen, dass alle Songs hochschnellten. Dass die Rapper keineswegs die beste und wichtigste Musik derzeit machen, ist da kein Argument. Man kennt das: Drake übertrumpfte kürzlich mit sieben Songs in den US-Top-Ten die Beatles, auch Ed Sheeran beherrschte eine zeitlang die britischen Charts. Diese Ausschläge sind statistische Ausreißer nach oben: Früher kauften auch die rabiatesten Fans eine Single nur einmal, egal, wie oft sie sie dann hörten. Doch nun zählt jede Dauerschleife.

Auch bei RAF Camora. Ö3 und die Musikwirtschaft ließen sich nun zu einer Anlassgesetzgebung hinreißen: In Zukunft werden nur noch die Top-Drei-Songs eines Albums in die Wertung aufgenommen, der Rest bleibt unberücksichtigt, berichtet der ORF. Und schon beim aktuellen Anlassfall gilt plötzlich nicht mehr, was bisher die Währung der Charts war: Wegen des großen Erfolges der Rapper sendet Ö3 am Freitag eine Chart-Sondersendung, um nur ja nicht alle neun der Raf-Camora-Songs in den Top Ten spielen zu müssen.

Das ist eigentlich eine Bankrotterklärung. Denn auch wenn einem die Musik nicht passt: Mit der Gegenreaktion entwertet man den Hip-Hop ebenso wie die letzte Glaubwürdigkeit der Charts. Diese zeigen schon lange nicht mehr an, was die Fans kaufen. Und nun auch nicht mehr das, was die Fans hören. Was bleibt? Ein willkürlicher Schlüssel, mit dem Streams gezählt werden - und eine Sicherheitsschranke, damit der Erfolg bei den Fans keine zu große Rolle spielt. Bleibt nur eine Frage: Was zählen diese Charts dann überhaupt noch?

Kommentare