Radelnde Walküren im Marathon

Radelnde Walküren im Marathon
Die Tiroler Festspiele Erl schmiedeten Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ in nur 24 Stunden.

Irgendwie war man wie in Trance, als der lange, jubelnde Schlussapplaus erklang. Aber nicht grundlos, denn schließlich hatte man den kompletten „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner bei den Tiroler Festspielen Erl in kürzester Zeit inhaliert.

Ohne den Vorabend „Rheingold“, der schon, wie auch vom Komponisten selbst so gewünscht, am Abend vor den drei Teilen über die Bühne gegangen war, wurde der restliche „Ring“ innerhalb von nur 24 Stunden geschmiedet. In einer überarbeiten Fassung, nachdem dieser Marathon schon im Jahr 2005 stattgefunden hatte.

Gewidmet war dieser gewaltige Kraftakt, der nicht nur von den Protagonisten, sondern auch vom Publikum höchstes Durchhaltevermögen und Konzentration verlangte, heuer dem Präsidenten und Mäzen des Festivals, Hans-Peter Haselsteiner zu dessen 70. Geburtstag (siehe auch Seite 28). Zum finalen Applaus auf die Bühne geholt, machte Haselsteiner vor dem Orchester einen tiefen Kniefall.

Das Orchester

Dies zu Recht, denn die jungen Musiker leisteten unter dem künstlerischen Leiter der Festspiele, Gustav Kuhn, definitiv Außergewöhnliches: Mangels Orchestergrabens im Passionshaus Erl hinter der eigentlichen Spielfläche platziert, steil ansteigend und golden beleuchtet, erklang unter Kuhns Stabführung viel Magisches und Mystisches. Leichte Mängel waren sicher auf Müdigkeit und fehlende Konzentration zurückzuführen, denn schließlich spielte man den „Siegfried“ bereits eineinhalb Stunden nach der „Walküre“ beinahe bis vier Uhr früh und startete um 11 Uhr schon wieder mit der „Götterdämmerung“.

Trotzdem vernahm man reiche Nuancen, wie feine Piani, aber auch spannungsgeladene Steigerungen und Ausbrüche. Und dabei blieb man immer nur so laut, dass die Sänger akustisch nicht überdeckt wurden.

Die Sänger

Und diese – die einzigen, die mehrfach besetzt waren – dankten dies mit qualitätsvollen Leistungen: Nobel war Michael Kupfer („Rheingold“-Wotan und Gunter). Hermine Haselböck war keine keifende, sondern eine wohltönende Fricka, Johannes Chum ein schönstimmiger Loge im Manageranzug, Thomas Gazheli sehr exzessiv als Alberich und Wanderer.

Andrew Sritheran (Siegmund) ist ein Versprechen für die Zukunft, Marianna Szivkova eine stimmlich etwas scharfe Sieglinde, Vladimir Baykov ein prägnanter „Walküren“-Wotan, Raphael Sigling ein gemeiner, markiger Hunding. Der etwas derbe, voluminöse Andrea Silvestrelli war im Dauereinsatz (Fafner und Hagen).

Hingegen konnte Bettine Kempp als unverständliche und wenig präsente „Walküren“-Brünnhilde nicht überzeugen. Makellos waren hingegen die radfahrenden Walküren, strahlend und durchschlagskräftig die Brünnhilden Nancy Weißbach („Siegfried“) und Mona Somm („Götterdämmerung“). Wenig Profil zeigten beide Siegfrieds (Michael Baba und Gianluca Zampieri).


Die Inszenierung

Vier Kinder setzten sich zum Finale vorne an den Bühnenrand und begannen ganz unschuldig zu spielen, nachdem die Welt rundherum zusammengekracht war: Ein starkes, hoffnungsvolles Zukunftssymbol, ein kleiner Silberstreifen am Horizont, der den Besuchern da gegeben wurde.

Wie überhaupt Gustav Kuhn, wie meist auch diesmal sein eigener Regisseur, in der Neuadaptierung seiner Inszenierung des „ Ring des Nibelungen“ auf viele Symbole (etwa der beinahe omnipräsente, über den Köpfen schwebende Speer von Wotan) und auf detailreiche Ideen setzt. Und das alles in sparsamsten Kulissen und ohne irgendwelche, technischen Mätzchen, die im alten Passionshaus in Erl wohl auch kaum möglich wären. Aber wie man sieht, kann man durchaus auch mit einfachen Mitteln, wenigen Versatzstücken und einem geschickten Lichteinsatz und ohne Firlefanz starke Wirkungen erzielen.

KURIER-Wertung:

Die 17. Tiroler Festspiele Erl sind am Sonntag mit „Götterdämmerung“ zu Ende gegangen. Im Hauptprogramm – also bei Opern und Symphoniekonzerten – wurden 23.000 Besucher registriert, das entspricht einer Auslastung von 96 Prozent. Nettoeinnahmen von etwa 1,2 Millionen Euro bedeuten ein Rekordergebnis. Am Montag begannen die Proben für die Uraufführung der Oper „El Juez“ von Christian Kolonovits mit José Carreras am 9. August.

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