„Obwohl dies ein unglaublicher Verlust für unsere Familie ist, feiern wir das großartige Leben, das er gelebt hat, und wissen, dass es nie einen anderen wie ihn geben wird.“
So lautet ein Teil des offiziellen Statements, das die Familie von Quincy Jones an die Medien weitergab. Der Komponist, Arrangeur, Bandleader, Trompeter, zeitweilige Plattenlabel-Boss, Unternehmer und Philantrop war am Sonntag 91-jährig in seinem Haus im kalifornischen Bel Air gestorben.
Welchen Zugang man zu der Person des 28-fachen Grammy-Gewinners auch wählt, es wird rasch deutlich, dass mit ihm eine Jahrhundertfigur gegangen ist. Ohne Jones würde nicht nur die Popmusik, die seit den 1980er-Jahren produziert wurde, anders klingen: Pop, verstanden als globales Massenphänomen, hätte ohne sein Zutun wohl auch eine andere Form angenommen.
Von Jazz zu Pop
Musikalisch übertrug der in Chicago geborene Jones, der laut eigenen Angaben als Elfjähriger von einem Piano in einem Freizeitheim mit dem Musikvirus infiziert wurde, dazu die Raffinesse und das Selbstbewusstsein des Big-Band-Jazz in eine zeitgemäße Form, die sich über Hautfarben und Klassenzugehörigkeiten hinwegsetzte.
Bereits als Teenager hatte Jones mit seinem Freund Ray Charles musiziert und den Bandleader Lionel Hampton auf sich aufmerksam gemacht. Ab 1956 war er Musikdirektor in der Band des Trompeters Dizzy Gillespie, die im Auftrag des US-Außenministeriums – als Imagemaßnahme im Kalten Krieg – durch Europa und Asien tourte. In Frankreich bekam er auch die Gelegenheit, Arrangements für Streichorchester zu schreiben: In den USA wurden Afroamerikaner in diesem Bereich selten engagiert.
Doch Jones war in vielem der Erste. 1964 feierte er nicht nur einen musikalischen Erfolg mit dem Album „It Might As Well Be Swing“, für das er das Count-Basie-Orchester zu Frank Sinatras Stimme musizieren ließ: Er wurde auch der erste schwarze Vizepräsident der Plattenfirma Mercury. Musicals und Filmmusiken (u. a. für „Der Pfandleiher“, 1974) folgten. Im Rahmen seiner Arbeit mit dem Regisseur dieses Films, Sidney Lumet, traf Jones auch auf den einstigen Kinderstar Michael Jackson.
Mit dem Longplayer „Off the Wall“ (1978) und dessen Nachfolger „Thriller“ (1982) – bis heute das meistverkaufte Album der Musikgeschichte – startete Jones endgültig in bisher ungekanntes Territorium durch.
„Thriller“ verdeutlichte nicht nur Jones’ Meisterschaft, Sounds wie Disco und Funk mit derselben Brillanz und Effektivität einzusetzen, wie es Duke Ellington oder Count Basie mit dem Swing getan hatten: Mit damals ungewohnten Gastauftritten (Paul McCartney auf „The Girl Is Mine“, Eddie Van Halen auf „Beat It“) stellte sich der Musiker auch als genialer Netzwerker unter Beweis.
Sie waren die Welt
Der Gipfel dieser Vernetzungskunst, die heute noch in Star-Features auf gefühlt jedem zweiten Pop-Track nachhallt, wurde wohl 1985 erreicht: Da stellte Jones unter dem Namen „USA for Africa“ jene Supergroup zusammen, die mit dem (von Michael Jackson und Lionel Richie verfassten) Song „We Are The World“ Spenden für Betroffene einer Hungerkatastrophe in Äthiopien sammelte.
Dem Impetus, seinen Einfluss und sein Geld für die Allgemeinheit zu nutzen, kam Jones später auch nach, etwa indem er eine Stiftung zur Armutsbekämpfung und eine Harvard-Professur für Schwarze Musik einrichtete.
Jones’ Erbe sickerte auch tief in die Popkultur, weil sich der Impresario vielfach unternehmerisch betätigte und u. a. das Rap-Magazin Vibe mitbegründete. Rapper wie Tupac Shakur nutzten ihrerseits seine Aufnahmen als Rohstoff für eigene Tracks. Von Jones’ sieben Kindern – Tochter Kenya stammt etwa aus einer Beziehung mit Model Nastassja Kinski – sind wiederum einige im Showbusiness aktiv. Doch einen wie Quincy wird es wohl wirklich nie wieder geben.
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