Tarantinos "Hateful Eight": Schweinehund in der Pfanne

Kopfgeldjäger unter sich: Kurt Russell (li.) trifft im Tiefschnee auf seinen Berufskollegen Samuel L. Jackson
Quentin Tarantino provoziert mit einem brachialen Einraum-Western.

"Verbringen Sie die Feiertage mit jemandem, den Sie hassen", lautete ein Werbeslogan zu "The Hateful Eight". Sitzt man im Kino, wird einem dieses Vorhaben nicht übermäßig schwer gemacht: Im Film findet sich praktisch niemand, den man nur annähernd sympathisch finden könnte. Miese Typen durch und durch: Selbst Samuel L. Jackson als Schwarzer in einem Haufen weißer Rassisten erweist sich alles andere als liebenswürdig.

"The Hateful Eight" (Kinostart: Donnerstag), Tarantinos neuer Tiefschnee-Western, ist brachial-komisch, ultra-brutal und streckenweise unangenehm sadistisch. Ein wüstes, dabei fast durchwegs unterhaltsames Gemisch aus Horror-Metzelei, Western-Bastard und Agatha-Christie-Krimi. Ein Hochfrequenz-Kammerspiel, das zurückkehrt zu Tarantinos Anfängen und wie "Reservoir Dogs" locker als Vorlage einer Bühneninszenierung dienen könnte. Es scheint auch eine weitere Tarantino-Perversion, seinen achten Film auf "gloriosem 70 mm Ultra Panavision"-Material zu drehen, nur um das Breitwandformat dann für einen Einraumfilm à la "Mord im Orientexpress" zu verwenden.

Nach "Django Unchained" bewegt sich Tarantino erneut auf Western-Terrain – diesmal einige Jahre nach der Sklavenbefreiung. Im Wyoming der späten 1860er-Jahre bahnt sich eine Postkutsche ihren Weg durch den Schnee. Darin kuscheln zuerst nur Kurt Russell und Samuel L. Jackson, gemeinsam mit der verwegenen Jennifer Jason Leigh. Russell als Kopfgeldjäger John Ruth hat sich per Handschellen an eine Mörderin namens Daisy Domergue (Leigh) gekettet und will sie gegen Lösegeld dem Henker übergeben. Jackson nennt sich Major Marquis Warren und hat eine ähnliche Profession: Nur sind seine gefangenen Verbrecher bereits tot und werden wie tiefgefrorene Fischstäbchen auf dem Dach der Postkutsche gestapelt. Als ein Schneesturm aufkommt, sucht die Reisegruppe Schutz in einer Hütte: Dort wartet bereits der Rest des Ensembles – von Tim Roth bis Michael Madsen.

Geschwätzige Killer

Wer glauben sollte, dass es sich bei Westernhelden um wortkarge Gesellen handelt, liegt bei Tarantino bekanntermaßen falsch. Seine geschwätzigen Killer eröffnen ganze Sperrfeuer an politisch unkorrekten Dialogen, ehe sie zur Pistole greifen. Doch treffsichere Tarantino-Dialoge sind fundamentaler Teil des Spaßes, den man sich von "The Hateful Eight" erwarten darf – und davon bekommt man eine Menge. Auch führt Tarantino sich selbst als Erzähler ein, wenn man es am wenigsten erwartet oder beginnt, die Geschichte aus anderer Perspektive neu zu erzählen. Sogar Untertitel haben Humor: Ein Filmkapitel nennt sich "Son of a Gun" ("Halunke") und heißt in der deutschen Übersetzung kurioserweise "Der Schweinehund in der Pfanne".

Doch gerade, wenn man es sich im gewohnt selbst-reflexiven, ironisch-zynischen Tarantino-Land und seinen erwartbar überspitzten Gewalteskapaden gemütlich gemacht hat, holt der Regisseur zu unerwarteten Tiefschlägen aus. So fungiert Jennifer Jason Leigh als Daisy durchgehend als Punching Ball der Gesellschaft. Sie wird andauernd vermöbelt und erinnert mit ihrem blutverschmierten Gesicht an "Carrie – Des Satans jüngste Tochter". Gleichzeitig ist Daisy von unbeugsamer Gemeinheit und grinst auch noch ohne Schneidezähne ihren Peinigern frech ins Gesicht. Man könnte den Vorwurf der Misogynie entkräften und zu Tarantinos Gunsten sagen: Daisy wird genauso (schlecht) behandelt wie ein Mann. Auch die rassistischen Südstaatler haben im Angesicht des schwarzen Marquis ihren Meister gefunden. Seine Rachefantasie steigert sich zur Gewalt-Pornografie und stellt Sehgewohnheiten auf harte Proben. Gelungene Provokation oder sadistische Blödheit? Um das zu entscheiden, lohnt sich der Weg ins (Breitwand-) Kino.

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