Punk-Ausstellung: "No Future" für England

Der deutsche Künstler Hans-Peter Feldmann verziert die englische Königin: „Fünf Pfund mit roter Nase“ (2012) in der Punk-Ausstellung im MACBA von Barcelona
Punk - Eine radikale Bewegung feiert ihr 40-Jahre-Jubiläum – und ist längst im Museum gelandet.

Die Queen hat ihnen verziehen. Als die Sex Pistols ihren legendären Wutruf "God Save the Queen" ausstießen, herrschte noch Aufruhr in der Monarchie. Doch das ist lange her. Die Punk-Band rund um Johnny Rotten und Sid Vicious hatte die Königin in ihrer legendären Anti-Hymne von 1977 mit einer faschistischen Diktatorin verglichen und ihr Publikum provoziert: "Dieses England hat keine Zukunft."

Bereits 1976 veröffentlichten die Sex Pistols mit "Anarchy in the UK" ihre erste Single. Zum Jahrestag im November 2016 soll nun in Camden/London eine Verbrennung stattfinden: Joe Corré, der Sohn des verstorbenen Sex-Pistols-Managers Malcolm McLaren und der Modedesignerin Vivienne Westwood, kündigte an, anlässlich des Jubiläums all seine Punk-Memorabilia vernichten zu wollen. Dazu zählen Punk-T-Shirts, Leder-Bikinis und eine Sid-Vicious-Barbie-Puppe. Geschätzter Gesamtwert der Sammlung: rund fünf Millionen Pfund.

Warum Corré diesen Goldschatz vernichten will?

Weil er angefressen darüber ist, dass das offizielle London heuer vierzig Jahre Punk abfeiert. Dabei richtet sich die Wut des Modedesigners und Mitbegründers des Dessous-Labels "Agent Provocateur" vor allem gegen ein Event namens "Punk London". Dieses hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Jubiläum ausführlich zu zelebrieren, und wird dabei laut Corré von der "National Heritage Lottery" ebenso unterstützt wie vom Buckingham Palast. Speziell letzterer Umstand regt ihn besonders auf, wie er The Guardian wissen ließ:

"Dass die Königin dem Jahr 2016 als Jahr des Punk ihren Segen gibt, gehört zu den furchterregendsten Dingen, die ich in letzter Zeit gehört habe", schnaubte Corré: "Punk ist keine Bewegung mehr, die Dinge verändert, sondern nur noch ein f*... Museumsstück." Tatsächlich sieht es heute so aus, als würde man die No-Future-Provokateure bald in den Adelsstand erheben. Zumindest wird das Jubiläum nun staatstragend in ganz England gefeiert – von einer Ausstellung in der distinguierten British Library ("Punk 1976–’78", bis 2. 10.) angefangen bis hin zu unzähligen Galerie-Events, Foto-Ausstellungen und Konzertauftritten (siehe http://punk.london/).

Rebellische Kunst

Sollte Joe Corré von seinem Vorhaben nicht abrücken, wird seine öffentliche Verbrennung wohl zu jenen Aktionen zählen, die dem Spirit der rebellischen Jugendbewegung womöglich am nächsten kommen.

Inwiefern sich Punk als subversive Kraft in der jüngeren Gegenwartskunst wiederfindet, fragt sich derzeit auch eine Ausstellung im Museum für zeitgenössische Kunst (MACBA) in Barcelona: "PUNK. Its Traces in Contemporary Art" (bis 15. September) versammelt Arbeiten, die laut Kurator David G. Torres die Spuren der Punk-Ästhetik in sich tragen. Zunächst hängen da die bekannten Plattenhüllen von Gruppen wie den Sex Pistols oder The Clash an der Wand.

Punk-Ausstellung: "No Future" für England
Punkausstellung
Doch Torres geht es nicht nur um jenen explosiven Moment Mitte der 70er-Jahre, in dem Musiker, Künstler und Designer dem Establishment den Finger zeigten und begannen, konventionelle Kunstformen aufzubrechen. Die Wurzeln für diese Proteste finden sich bekanntlich bereits in historischen Bewegungen wie den Dadaisten und Situationisten – wie die Ausstellung auch brav aufzeigt. Doch gerade die Verlängerung in die Gegenwartskunst bekommt dann oft auch etwas Willkürliches.

Zwar tragen Arbeiten wie jene der Brit-Künstlerin Tracey Emin, die sich mit rotzigem "Fuck you"-Gestus Geldscheine zwischen die Beine presst, den Punk-Spirit in sich. Doch häufig verkommt Punk auch hier zum oberflächlichen Label, hinter dem sich schicke Museumskunst verbirgt.

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