2020 war Grigorian dann in Salzburg als Chrysothemis in „Elektra“ von Strauss zu bewundern – wieder ein Erfolg.
Im Jahr darauf debütierte sie in Bayreuth als Senta im „Fliegenden Holländer“, und viele waren der Überzeugung, diese Partie seit langer Zeit nicht mehr so gut gesungen gehört zu haben.
Dann kam ihr erster Auftritt an der Wiener Staatsoper als Cio-Cio-San in Puccinis „Madama Butterfly“, wieder eine dramatische Partie, die man nicht zwingend mit ihr in Verbindung bringt. Und nun singt die litauische Sopranistin Asmik Grigorian in Salzburg bei Puccinis „Il trittico“ in allen Opern die zentrale Frauenrolle. Kräftemäßig ein Triathlon. Und künstlerisch eine Demonstration ihrer enormen Bandbreite.
Sie kann zur Zeit also wirklich alles singen. Und bestimmt wird es bald weitere Ausflüge ins schwere Fach geben, Richtung Wagner oder Richtung Puccinis Turandot. Das Bewundernswerte an ihr: Sie reiht kraftvolle Ausbrüche und zarte lyrische Passagen nahtlos aneinander, besticht in allen Lagen und singt so richtig schön, mit einem berührenden Timbre. Dazu ist sie eine Künstlerin, die mit Ehrlichkeit und nicht mit Effekten oder Selbstinszenierung punktet. Und darüber hinaus ist sie als Bühnenpersönlichkeit so agil, wandlungsfähig und präsent, wie man es im Opernfach kaum erlebt.
So, jetzt aber genug der Grundsatz-Hommage und hin zum Konkreten, zur aktuellen Produktion von Giacomo Puccinis „Il trittico“ im Großen Festspielhaus. Dieses Triptychon besteht aus den drei Kurzopern „Gianni Schicchi“, einer Erbschleicher-Komödie, aus „Il tabarro“, einem Eifersuchtsdrama mit tödlichem Ausgang, und „Suor Angelica“, der Tragödie einer verstoßenen Frau, die sich als Klosterschwester vergiftet, um ihrem unehelichen Kind zu folgen, als sie von dessen Tod erfährt. In Salzburg wird das Werk in eben dieser Reihenfolge gespielt – normalerweise steht „Gianni Schicchi“ am Ende (sofern überhaupt alle drei Opern in einem Kraftakt gemeinsam aufgeführt werden).
Dieser von Regisseur Christof Loy initiierte Kunstgriff funktioniert fabelhaft, weil er dem Abend dank Grigorian ein Finale beschert, das an Intensität kaum zu überbieten ist. Wie sie die letzte halbe Stunde zunächst mit Karita Mattila als böser Tante und dann quasi im Alleingang bestreitet, wie sie sich anhand einer Koffers mit Spielzeug ihres Kindes in eine andere Welt versetzt, wie sie den Habit ablegt, ein Kleid anzieht und wieder zur leidenden Frau wird, wie sie all das gestaltet und singt, ist eine Meisterleistung, die in die Festspielgeschichte eingehen wird.
Zuvor, bei „Il tabarro“, einem echten Verismo-Reißer, ist sie die unglücklich Liebende, ausdrucksstark, dramatisch, aber nie forcierend. Und in „Gianni Schicchi“ singt sie klug genug, um nicht merken zu lassen, dass sie der Partie der Lauretta eigentlich entwachsen ist. Bei der berühmten Arie „Il mio babbino caro“ nimmt sie sich sehr zurück, statt protzen zu wollen und forciert bei keinem einzigen Spitzenton.
Asmik Grigorian ist aber nicht die einzige Top-Sängerin an diesem Abend, der auch durch eine beeindruckende Ensembleleistung begeistert. Besonders hervorzuheben: Der Bariton Misha Kiria als enorm präsenter, humorvoller Gianni Schicchi, die Mezzosopranistin Enkelejda Shkosa in drei Rollen (Zita, Frugola, Suora Zelatrice), der Bariton Roman Burdenko als stimmlich mächtiger Michele, Joshua Guerrero als Luigi mit kraftvollem Tenor (beide „Il tabarro“) sowie die große Karita Mattila bei ihrer Rückkehr nach Salzburg.
Zu diesem Festspieltriumph tragen aber ganz wesentlich Dirigent Franz Welser-Möst und die Wiener Philharmoniker bei. Sie nehmen Puccini, der in Salzburg lange Zeit ein Stiefkind war, in jeder Phase und Phrase ernst. Das Dirigat ist höchst sensibel (besonders schön die Pianissimi), zart, aber dennoch konsequent und streng, mit großer Ernsthaftigkeit und ohne jeden Zug zum Kitsch, den man Puccini zu Unrecht oft unterstellt. Der Abend, der die ganze Farben- und Emotionspalette von lustig bis tragisch und dramatisch umfasst, ist ein orchestrales Ereignis.
Aller guten Dinge sind drei: Auch die Regie von Christof Loy ist mit ihrer exzellenten Personenführung wesentlicher Bestandteil des Erfolges.
Bei „Gianni Schicchi“ erweist sich Loy als äußerst musikalisch und Meister guten Timings – da stimmt jedes Detail bei der Zeichnung der chaotischen Großfamilie, die um das Erbe des Buoso Donati streitet. Bei „Il tabarro“ fokussiert er sich auf die Frau zwischen den zwei Männern und die Träume sogenannter kleiner Leute. Bei „Suor Angelica“ hält er sich geradezu minimalistisch zurück und vertraut ganz dem Seelendrama der tragischen Heldin.
Schade nur, dass das Bühnenbild (Étienne Plus) sehr banal ist. Bei „Gianni Schicchi“ dreht sich alles ums Totenbett – der Rest: ein karger Fiorentiner Palast. Bei „Il tabarro“ dominiert ein hässlicher Frachtkahn, es gibt kaum Licht. Bei „Suor Angelica“ passt die Reduktion wenigstens zum Klosterleben, optisch ist die Szenerie dennoch eine Enttäuschung.
Insgesamt haben die Festspiele aber mit „Trittico“ wieder eine Referenzproduktion vorlegt. Und neuerlich stehen Grigorian und Welser-Möst im Zentrum. Die Freunde der italienischen Oper und nicht nur sie jubelten ausgiebig.
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