"Prinz von Homburg": Simonischeks Karotte

"Prinz von Homburg": Simonischeks Karotte
Andrea Breths schleppende Inszenierung von Kleists "Prinz von Homburg" bei den Salzburger Festspielen zeigt immerhin tolle Schauspieler.

Die vielleicht spannendste Szene des Abends: Peter Simonischek isst eine Karotte. Und: Nein, das ist nicht sarkastisch gemeint. Simonischek, in der Rolle des eisigen Machtpolitikers, des Kurfürsten Friedrich, nimmt sich alle Zeit der Welt, um  konzentriert sein rohes Gemüse zu verspeisen. Dabei ist er in einer heiklen Situation: Seine Generäle bedrängen ihn, hart am Rande der Revolte, das  Todesurteil gegen seinen Neffen und Namensvetter, Prinz Friedrich von Homburg, zurückzunehmen. So, wie das Simonischek macht, muss man erst einmal eine Karotte essen: Hier bearbeitet ein  Herrscher die Karotte, der weiß, was den Mächtigen vom Machtlosen unterscheidet: Er hat Zeit. Auch Homburg beißt gerne in etwas – zum Beispiel wenn er, ganz Mike Tyson der Romantik,  einem zögerlichen Offizier  buchstäblich das Ohr abkaut. Regisseurin  Andrea Breth hatte angekündigt, Kleists Drama "Prinz Friedrich von Homburg" als politisches Vater-Sohn-Duell zu zeigen. Homburg sei nicht der  Träumer, als der er oft gesehen werde, sondern ebenfalls kühl kalkulierender Machtpolitiker. Der ungemein begabte Filmstar August Diehl ("Inglorious Basterds") spielt in der Hauptrolle dann aber etwas ganz anderes. Sein Homburg ist ein fiebriger Verhaltensorigineller, ein  bleicher, im kalten Schweiß glänzender Schwererziehbarer, wie aus der Nervenheilanstalt oder aus einer überdrehten "Hamlet"-Inszenierung entsprungen.

 

Narrenkastl

Diehl spielt das in der Tat so gut und glaubhaft, dass die ganze Inszenierung Schräglage bekommt: Warum diesem großen, staunend ins Narrenkastl starrenden Kind Offiziere in blinder Treue in die Schlacht folgen, warum ihm eine junge Frau in Liebe verfällt, warum ihn der Kurfürst als gefährlichen Konkurrenten sieht, den es unter das Gesetz zu zwingen gilt: Das bleibt völlig unklar. Irgendwie spielt hier jeder großartig, aber jeder scheint zu einer anderen Inszenierung zu gehören: Pauline Knof ist eine mädchenhaft stürmisch liebende Prinzessin Natalie, Andrea Clausen eine zu Eis gefrorene Kurfürstin, Hans-Michael Rehberg ein Obrist Kottwitz am Rande des Nervenzusammenbruchs, Roland Koch ein maskulin intrigierender Hohenzollern. Ebenso wie Diehl spielt Simonischek groß auf: Hinreißend, wie er Leidenschaft in einem äußerst unonkelhaften Kuss für seine Nichte Natalie andeutet.

All diese wunderbaren Schauspieler stehen in einer Inszenierung herum (und zwar buchstäblich – selten sah man so wenig Bewegung im Theater), die statt eindringlich vor allem langsam, statt spannend vor allem zäh, statt verdichtet vor allem schleppend ist. Zugegeben: Das ist Nörgeln auf hohem Niveau – die zweieinhalb pausenlosen Stunden sind immer noch sehenswertes Theater. Andrea Breth hat die Bravos am Ende dennoch verdient: Diese wunderbare Regisseurin hat uns schon so viele tolle Inszenierungen geschenkt. Ihr Methode des geduldigen Hineinhorchens in den Text kann nicht immer gleich gut aufgehen.

Fazit: Vor Angst gestorben

Stück: Homburg gewinnt eine Schlacht durch Befehlsverweigerung – und wird zum Tod verurteilt. Erst als er sich dem Urteil unterwirft, wird er  begnadigt. Bei Breth stirbt er  zum Schluss vor Schreck.

Bühnenbild: Martin Zehetgruber baute düstere Schlachtfelder und kühle Innenräume.

Dramaturgie: Der im Mai verstorbene Wolfgang Wiens hinterließ eine perfekte Fassung.

Spiel: Stark.

Regie: Konzentriert, aber zäh.

KURIER-Wertung: *** von *****

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