In Los Angeles wird neben dem traditionellen Dolby Theatre auch der Art-Deco-Bahnhof Union Station bespielt, der schon als Drehort für Klassiker wie „Blade Runner“ diente. Weitere Zuschaltungen für die in Europa festsitzenden Nominierten gibt es aus Paris und London.
Trotz Corona-Beschränkungen hat Steven Soderbergh den Zuschauern und Zuschauerinnen ein glasklares „Movie“-Erlebnis angekündigt, mit Star-Präsentatoren wie Brad Pitt, Halle Berry, Reese Witherspoon, Joaquin Phoenix und Harrison Ford. Sie alle wurden aufgefordert, sich persönlich einzubringen. Zoom-Zuschaltungen sind verboten, elegantes Outfit ein Muss. Und ja, Masken würden eine „sehr wichtige Rolle spielen“, gab sich Soderbergh geheimnisvoll.
Drei Stunden setzen die Veranstalter für die Show mit Preisen in 23 Kategorien an – aber die Frage bleibt: Wer wird es sich anschauen?
Die Einschaltquote bei den Oscarverleihungen befindet sich schon des längeren im Sinkflug – und ob das Jahr der Pandemie da eine Ausnahme machen wird, muss sich erst zeigen.
Großproduktionen oder gar Blockbuster finden sich keine unter den Bestenlisten. Viele der nominierten Filme hatten ihre Filmstarts auf Streamingplattformen bzw. wurden von diesen auch produziert. Nicht umsonst verzeichnet allein Netflix mit 35 Oscarnominierungen ein Rekord-Hoch, und gemeinsam mit Amazon kommen die Streaming-Giganten sogar auf 47 Nominierungen.
In der Unübersichtlichkeit an Angeboten haben allerdings viele Filme beim Publikum an Präsenz verloren. Wie eine amerikanische Umfrage unter 1500 „aktiven Unterhaltungskonsumenten“ herausfand, haben nur 18 Prozent von dem Titel „Mank“ –, der meistnominierte Film der Preisverleihung – schon einmal etwas gehört. Immerhin konnten zumindest 46 Prozent der Befragten etwas mit dem Filmtitel „Judas and the Black Messiah“ – ein Porträt über den Black-Panther-Aktivisten Fred Hampton – etwas anfangen.
Tatsächlich hat sich nach den OscarSoWhite- und MeToo-Protesten, die auf die Nominierungsblamagen der letzten Jahre reagiert hatten, das Feld an Filmen erweitert und diversifiziert. Zwar steht David Finchers „Mank“, eine Stil-Hommage an das alte Hollywood der 30er Jahre, mit zehn Oscarnominierungen als Favorit an erster Stelle. Doch kann es durchaus passieren, dass „nur“ Belohnungen in „Nebenkategorien“ wie Kostüm oder Szenenbild übrig bleiben.
Der Favorit der Herzen ist immer noch völlig zu Recht „Nomadland“ von Chloé Zhao: Das lakonische, trotzdem herzzerreißende Roadmovie der 1982 in Peking geborenen und in den USA lebenden Regisseurin ist seit seiner Premiere in Venedig, wo es den Goldenen Löwen gewann, unaufhaltsam auf Erfolgskurs. Die patente Frances McDormand – auch Produzentin des Films – spielt darin eine Frau, die nach dem Tod ihres Mannes ihre Existenzgrundlage verliert und in ihr Auto übersiedeln muss.
Sollte Chloé Zhao den Oscar für beste Regie gewinnen, wäre sie damit erst die zweite (!) Frau, die nach Kathryn Bigelow diesen Preis erhält. Doch schon allein der Umstand, dass heuer zwei Regisseurinnen in der Regie-Kategorie nominiert sind, schreibt Oscargeschichte: Neben Zhao geht auch die Britin Emerald Fennell mit ihrem Regiedebüt „Promising Young Woman“ ins Rennen. In ihrem gewitzten Rache-Thriller lässt Fennell – in „The Crown“ die Darstellerin von Camilla Parker Bowles – eine vorgeblich betrunkene Carey Mulligan die Männerwelt aufmischen.
Mit ihren mehr als 9000 wahlberechtigten Mitgliedern ist die Oscar-Akademie zwar immer noch mehrheitlich weiß und männlich, trotzdem aber spürbar um Vielfalt bemüht. Stolz weist man darauf hin, dass heuer eine Rekordzahl von insgesamt 70 Frauen nominiert wurden.
Auch unter den zwanzig Anwärtern und Anwärterinnen in den Schauspielkategorien herrscht bemerkenswerte Diversität: Der an Krebs verstorbene „Black Panther“-Star Chadwick Boseman gilt als Favorit für einen posthumen Hauptdarsteller–Oscar für das Jazz-Kammerspiel „Ma Rainey’s Black Bottom“. Auch Viola Davis steht für ihre Rolle als Blues-Sängerin Ma Rainey auf der Nominierungsliste. Der lässige Brite Daniel Kaluuya könnte als schwarzer Aktivist in „Judas and the Black Messiah“ als bester Nebendarsteller ausgezeichnet werden. Chancen auf einen Oscar hat auch die 73-jährige Südkoreanerin Youn Yuh-Jung für ihre Rolle als schlagfertige Großmutter in dem sensiblen koreanisch-amerikanischen Familiendrama „Minari“.
Und mit Riz Ahmed, der in „Sound of Metal“ als Schlagzeuger sein Gehör verliert, wurde erstmals ein muslimischer Schauspieler als bester Darsteller aufgestellt. Hollywood gibt also mit seinen Nominierungen von abwechslungsreichen und spannenden Filmen und deren vielseitigen Stars ein kräftiges Lebenszeichen von sich.
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