Schwab, einer der radikalsten Selbstzerstörer der österreichischen Literatur, der an Silvester 1993/’94 einer Alkoholvergiftung erlag, schrie in seinen Fäkaldramen schonungslos seinen Ekel vor der Welt hinaus.
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In der Grauzone
„Die Präsidentinnen“ ist das erste dieser Stücke, doch davon lässt diese Regisseurin wenig spüren. Andächtig verfolgen drei betagte Damen eine Papstmesse im Fernsehen, unterhalten sich über ihre missratenen Kinder und geben damit an, was sie alles aushalten müssen. Die Stärken des Texts, der Schicht um Schicht das Grausame freilegt, schimmern dabei aus diffusen Grauzonen durch.
Happel frömmelt sich als Erna durch die 90 Minuten, changiert zwischen Distanzierung und Emotion, wenn sie vom Wunsch nach Enkeln spricht, die ihr der Sohn Hermann, das Alter Ego des Dichters, versagt. Sie berührt, wenn sie von Wottila, einem bigotten Fleischhauer aus Polen, schwärmt. Johanna Arrouas ist ihr als Grete ein solides Gegenüber. Mit Understatement lässt sie ihre Sympathie für Nazis erkennen und zeigt Verständnis dafür, dass ihr Mann die gemeinsame Tochter missbraucht hat.
Gravitation des Grauens
Kraftzentrum der Aufführung ist Therese Affolter als Mariedl. Wie ein geisterhaftes Wesen spielt sie sich langsam ins Zentrum, nimmt die Gestalt einer Besessenen an, die ihren religiösen Wahn mit ihrer Leidenschaft, in Exkrementen zu wühlen, verbindet. Fulminant reißt diese Schauspielerin das Geschehen an sich, fabuliert genuin von ihren Fertigkeiten, verstopfte Toiletten zu reinigen, und stellt sich vor, wie sie die Menge dabei bejubelt. Mit Furor erhebt sie sich über die beiden anderen, deklamiert am Küchentisch ihre Träume vom Abort, wandelt sich dabei in eine Art Gold-Mariedl, und zeigt den anderen, wie sich selbst belügen, wofür sie am Ende geschlachtet wird. Ein Besucher fragte, warum man denn so etwas in einem Sommertheater spielen muss. Viel Applaus.Susanne Zobl
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