Bereits zu Beginn, alleine im unbarmherzigen Neuen Spielraum, einer Arena mit vier Tribünen, kündigt er an, dass er die Geschichte seines Verschwindens nacherzählen werde. Anton Widauer blickt immer wieder nach allen Seiten ins Publikum, er nimmt zwinkernd, mit heiterem Ton, gefangen. Später staunt er mit schreckgeweiteten Augen über das, was seiner Figur widerfährt. Und zum Schluss zieht der Traumtänzer, ein Hans im Glück, nach einem 25 Jahre dauernden Leidensweg (von 1913 bis 1938) das Resümee: „Jetzt bin ich nichts mehr.“
Als Bühnenbild dient ein vielseitig verwendbarer Quader, über den Ezio Toffolutti ein Leintuch, bedruckt mit dem Stadtplan von Wien, geworfen hat: Die politischen Systeme ändern sich im Laufe des fast dreistündigen Abends, der oft umbenannte Maximilianplatz aber bleibt. Zunächst nehmen sich Hauß und Nicolaus Hagg, der die Spielfassung erstellte, viel Zeit, um die Monarchie in Schnitzler-Manier zu porträtieren. Wolfgang Hübsch als uralter Diener Jacques, dem Firs in Tschechows „Kirschgarten“ nicht unähnlich, deckt trippelnd den Tisch. Julia Stemberger erscheint als mondäne Dame, das Haar hochgesteckt wie Alma Mahler. Und mittwochs gibt es immer Topfenknödel. Dass der Krieg ausbricht, freut so manchen, etwa den zynischen Schwiegervater (Daniel Jesch), der fürs Militär Mützen herstellt.
Roaring Twenties
Der Zusammenbruch der Monarchie bildet die Zäsur (in Form der Pause), danach ist die Welt aus den Fugen: Hilflos werden die Sessel, fast 30 an der Zahl, umgruppiert und umgestoßen. Nun muss Hauß Tempo machen: Noch ist der Sohn nicht einmal geboren – und schon wäre er bereits neun Jahre alt gewesen. Die Roaring Twenties verkörpert Lena Maria Gramß als bisexuelle Ehefrau Elisabeth: Sie dient – bei jedem Auftritt in einem neuen Kostüm (von Erika Navas) – als „drapierte Puppe“.
Von ihren Reinhardt-Seminar-Kollegen überzeugen Simon Schofeld (als Graf Festetics) und Roberto Romeo (als jüdischer Kutscher). Nils Hausotte trägt absurderweise bis zum Schluss die Weste, die sein ungestümer Joseph-Branco verkauft hat. Alle in den Schatten stellt Claudius von Stolzmann als Graf Chojnicki, der dezent dem Wahnsinn verfällt. Sein Pulli mit dem verwortakelten Doppeladler ist übrigens ein Schrei!
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