Polen: Politischer Kreuzzug gegen das Theater

Erregt Polen: „Der Fluch“ von Oliver Frljić im Teatr Powszechny
Polen hat mit dem Stück "Der Fluch" von Oliver Frljić einen handfesten Skandal

Der polnische Papst wird als "Verteidiger der Pädophilen" tituliert, die Akteure philosophieren über die Ermordung von Jarosław Kaczyński, dem Chef der Regierungspartei. Polen hat mit dem Stück "Der Fluch" von Oliver Frljić einen handfesten Skandal. Das Teatr Powszechny in Warschau wird seit der Premiere am Freitag von Demonstranten umlagert.

"Das ist Gosse, eine Vergewaltigung von Grundsätzen der Kultur, so etwas sollte nicht von öffentlichen Geldern finanziert werden", so Beata Mazur, die Sprecherin der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die polnische Bischofskonferenz protestierte gegen die "Profanisierung des Kreuzes" und rief die Gläubigen zum Gebet auf. Und die Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch die Ermittlungen aufgenommen. Bei Beleidigung religiöser Gefühle droht in Polen bis zu zwei Jahre Haft.

Frljić, gebürtiger Kroate, verteidigt das Stück: "Alles, was wir im Theater machen, ist Fiktion. Fiktion kann wehtun und Gefühle in einer Gesellschaft verletzen. Aber es ist weiterhin Fiktion." Gegenwärtig will die Theaterleitung an der Aufführung des Stückes festhalten.

Provokante Handlung

"Der Fluch" ist ein Stück über ein Stück. Im ursprünglichen Drama mit dem gleichen Titel von Stanisław Wyspiański, einem Vertreter der polnischen Moderne, zerstört ein wolllüstiger Pfarrer ein ganzes Dorf. In der Version von Frljić diskutieren die Schauspieler über das Werk von 1899, wobei sie dann selbst von einem Missbrauch in der Kindheit durch katholische Priester erzählen. Dabei kommt es zu provokativen Handlungen, wie einer Fellatio an einer Figur des ehemaligen Papstes Johannes Paul II., der im katholischen Polen weiterhin von Millionen verehrt wird. Da sich die Schauspieler mit ihrem eigenen Namen vorstellen, ist es unklar, inwieweit ihre Berichte über Missbrauch wirklich Fiktion sind. Auch das macht das Skandalöse des Stückes aus. In Polen wird der Missbrauch durch Geistliche erst seit einigen Jahren offen diskutiert. Dass es dem 40-jährigen Regisseur auch um Aufsehen geht, lässt sich kaum abstreiten.

Frljić ist preisgekrönt, er inszenierte in mehreren europäischen Städten, darunter am Residenztheater München und am Grazer Schauspielhaus. Seine Heimat verliess er 2016 aufgrund einer zu repressiven Kulturpolitik. Doch gerade die Auseinandersetzung mit dem Repressiven ist sein Thema. Somit ist er in seiner neuen Wirkungsstätte Polen auf interessantem Terrain – die PiS, die seit November 2015 regiert, will eine konservative Revolution in der Gesellschaft durchsetzen. Als ideologischer Kopf gilt Kaczyński.

Gegen polnische Werte

Ob Frljić den Aufruhr übersteht, bleibt ungewiss. Der staatliche Nachrichtenkanal TVP Info hat gepixelte Handy-Aufnahmen kontroverser Szenen übertragen, die für Empörung sorgten. Nun knöpfen sich die staatlichen Medien generell die Theater vor, die, unterstützt durch öffentliche Gelder, oft gegen polnischen Werte verstossen würden.

Das Teatr Powszechny erhält umgerechnet knapp zwei Millionen Euro an Subventionen. Auch diese Summe wird nun skandalisiert.

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