Ein bisschen Wehmut jedoch schwingt in diesen Worten mit. Denn: „Ich hätte mich vor allem auf das erste Klavierkonzert von Beethoven gefreut. Damit bin ich bereits vor 60 Jahren im Musikverein aufgetreten.“ Und über den Lockdown: „Ich verstehe zwei Dinge gar nicht. Erstens: Warum sind Skilifte offen, die Kultur aber muss zusperren? Zweitens: Warum lassen sich so viele Menschen nicht impfen? Das ist unfassbar rücksichtlos. Gegenüber der eigenen Gesundheit und gegenüber allen Mitmenschen.“
Einen echten Geburtstagswunsch hat Buchbinder auch: „Ich wünsche mir, dass dieser Pandemie-Irrsinn endlich vorbei ist, dass die Politik klare Entscheidungen trifft und in der Kultur zwischen Geimpften und Nichtgeimpften unterscheidet. Warum sollen die Geimpften und vielleicht zusätzlich Getesteten für alle Impfverweigerer büßen? Das ist unerklärlich.“
Denn, so der Jubilar weiter: „Es wird schwer genug werden, das Publikum wieder in die Häuser zurückzuholen. Ich habe knapp vor dem Lockdown ein Konzert in Düsseldorf gegeben und bin am nächsten Tag spazieren gegangen, als mich eine Frau angesprochen hat. Sie meinte: ,Herr Buchbinder, ich hatte für gestern Karten, aber ich hatte Angst, ins Konzert zu gehen. Da habe ich mir lieber eine ihrer CD’s aufgelegt und diese dann die ganze Nacht gehört.’ Das wird für uns alle noch eine große Herausforderung, den Menschen diese Ängste zu nehmen und sie wieder zu Live-Erlebnissen im Konzert zu ermutigen.“
Doch wann und wo ist der Künstler selbst wieder live zu erleben? „Das steht ein bisschen in den Sternen. Im Dezember sind Konzerte in München mit Valery Gergiev und den Münchner Philharmonikern geplant, dann in Paris und Aix-en-Provence mit dem Orchestre philharmonique de Radio France und Dirigent Mikko Franck, danach in Moskau und St. Petersburg – was davon stattfinden kann, werden wir sehen. Worauf ich aber wirklich hoffe, das ist mein Recital am 10. Jänner 2022 im Wiener Musikverein mit Werken von Brahms, Schubert und Beethoven. Dazwischen bereite ich neue CD-Projekte vor.“
Außerdem steht das Musikfestival Grafenegg quasi vor der Tür. Buchbinder: „Wir haben das gesamte Programm für 2022 ja schon präsentiert. Aber ich denke, dass wir wie schon heuer extrem flexibel sein müssen.“
Nachsatz: „Keiner kann heute abschätzen, was möglich sein wird, wer anreisen kann. Aber dank meines großartigen Teams und meiner Künstlerfreunde können wir auch improvisieren.“ Denn, so der Intendant: „Grafenegg erfüllt mich sehr. Was hier in den vergangenen 15 Jahren entstanden ist, darf wohl als einzigartig bezeichnet werden. Alle, die einmal hier aufgetreten sind, wollen wiederkommen. Auch das Publikum hält uns die Treue. Auch das ist nicht selbstverständlich. Ich bin daher sehr glücklich, dieses Festival künstlerisch leiten zu dürfen.“
Bis zum Festival aber – so Buchbinder – sei es „eine extrem herausfordernde Zeit“. „Die Künstler dürfen nicht auftreten, die Häuser bleiben zu. Finanziell ist das für viele Kolleginnen und Kollegen sehr anspannend, in vielen Fällen existenzbedrohend. Außerdem fehlen uns allen die Begegnungen mit dem Publikum, das Live-Erlebnis, das gemeinsame Genießen von Musik und Kultur.“
Und zum Thema Musik: „Meine Tochter hat da ein Zitat von mir ausgegraben, das viele Jahrzehnte alt ist. Damals habe ich gesagt: ,Die Kraft der Musik ermöglicht eine völkerverbindende Dimension, wie sie keine andere Sprache in diesem Ausmaß bereit ist, zu erreichen. Mein kleiner Anteil dazu sind meine zehn Finger, mein Kopf, mein Herz und die schwarzen und weißen Tasten.’ Diese Aussage gilt noch immer.“
Eine Aussage, die Rudolf Buchbinder bei jedem Auftritt, mit jeder Einspielung und mit jedem von ihm verfassten Buch bestätigt. In diesem Sinne vorab: Alles Gute zum Geburtstag!
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