Das Ergebnis: Eine, eigentlich aber zwei Einspielungen der „Goldberg-Variationen“ auf vier Tonträgern. Einmal in mehreren Etappen im Studio und mit ausgeklügelter Aufnahmetechnik realisiert. Ein zweites Mal in einem Take knapp vor einem Konzert in der Leipziger Thomaskirche eingespielt, in der Bach zeitlebens wirkte und wo der Komponist auch begraben ist.
„Ich wollte diesen Klang der Kirche, das Unmittelbare. Ich wollte Bach nahe sein, ihn noch besser verstehen, erfühlen“, so der Künstler, der auch keine Berührungsängste zu anderen Musikgenres kennt. „Ja, ich trete auch gerne mit Bands wie Metallica oder bei großen Events auf. Aber Bach ist speziell. Die Klarheit, die Intimität und der mathematische Aufbau – das ist singulär“, so Lang Lang. (Im Skype-Interview bekommt der Autor dieser Zeilen sogar eine musikalische Kostprobe der Variationen und lernt einzelne Nuancen noch besser kennen.)
Nuancen, die auch Nikolaus Harnoncourt ( 2016) zu verdanken sind. „Ich habe Anfang der 2000er-Jahre viel mit diesem wunderbaren Dirigenten über Bach und Mozart diskutiert, mit ihm gearbeitet und extrem viel gelernt“, meint Lang Lang rückblickend. „Harnoncourt hat immer gesagt, Bach sei doch ein Zeichen der Hoffnung. Und ich will gerade in diesen Zeiten ein Zeichen der Hoffnung setzen. Insofern ist dieses Album auch eine doppelte Hommage. An Nikolaus Harnoncourt und an all die Opfer der Corona-Pandemie.“
Womit wir doch beim aktuell leider alles beherrschenden Thema angekommen wären. Wie geht es Lang Lang damit, der als Lehrer in China in Stadien durchaus mehrere Tausende Klavierschülerinnen und Schüler gleichzeitig zu unterrichten pflegt? „Ich bin natürlich getroffen, wie wir alle. Aber ich mache weiter! Wozu gibt es die Neuen Medien? Über meine offizielle Homepage (www.langlangofficial.com, Anm.) kann man sich für die Kurse anmelden, da gibt es auch Informationen über all unsere Aktivitäten. Eines ist klar: Jetzt sollten wir uns alle doppelt so stark für die Musik und die Kunst einsetzen. Wir brauchen sie zum Überleben.“
Gutes Stichwort: Wie hat Lang Lang seine ungeplante Auszeit – eine Handverletzung zwang ihn im Jahr 2017 zu einer fast zweijährigen Pause – und die Corona-Pandemie überstanden? „Die Corona-Pandemie ist leider immer noch nicht vorbei. Aber ich hoffe, dass wir bald eine wirksame Impfung gegen das Virus haben, dass wir einander wieder persönlich begegnen können. Inzwischen nütze ich die Zeit, um weiter zu lernen, um tiefer in manche Werke einzutauchen und um zu üben. Man kann noch so oft ein Werk technisch sehr gut spielen, aber der Hintergrund, der innere, emotionale Gehalt zählt für mich immer mehr. Da gibt es einiges zu entdecken“, so der „extrem gereifte“ Künstler.
Und die Verletzung? „Sie traf mich schwer. Keine Note, keinen Ton spielen zu können, das ist natürlich extrem hart. Aber ich musste Geduld haben. Als Chinese weiß ich, wie sich das anfühlt“, sagt der Künstler lachend. Und: „Umso mehr freue ich mich, wenn dieser Corona-Albtraum vorbei ist, und ich wieder mit dem Publikum vor Ort kommunizieren kann. Ich kann wieder spielen, ich darf aufgrund der Bestimmungen nur nicht. Aber das ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit.“
Nachsatz: „Und dann verspreche ich: Es wird die Konzerte mit den ‚Goldberg-Variationen‘ und es wird große Events geben, bei denen ich auftreten werde. Das eine schließt das andere nicht aus. Denn Musik ist eine Sprache, die jeder verstehen kann.“
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