Aber blöd gelaufen: In Nino Haratischwilis „Phädra, in Flammen“ verliebt sich die Titelheldin nicht in Hippolytos, der ihr Sohn sein könnte, sondern, obwohl sie, wie sie behauptet, auf „Schwänze“ stehe, in Persea. Das volltätowierte Mädchen mit Cher-Perücke im schwarzen Glitzer-Minikleid war von Theseus, Phädras Mann, auserkoren worden, die Schwiegertochter zu werden. Sohn Demophon, der Erstgeborene, ist schließlich, wie wir im Akademietheater erfahren, ein „hirnamputierter Vollidiot“. Und Phädras Aufgabe ist es, die Braut binnen sechs Monden hoffähig zu machen. Klingt ein bisschen nach Mr. Higgins und Eliza.
Das "Herzchen" als "Hexe"
Mit größtmöglicher Arroganz und Widerborstigkeit übernimmt die Phädra der Sophie von Kessel die aufgetragene Arbeit. Sie befindet sich schließlich im Wechsel, steht also frierend „in Flammen “ und beklagt nebenbei die Faltigkeit ihrer Haut. Sophie von Kessel, hergerichtet wie eine altägyptische Star-Wars-Prinzessin in Leggings unter dem knallroten Fransenkleid, sitzt aber gerne breitbeinig am Boden oder krabbelt gelenkig auf allen vieren. Jammern auf höchstem Niveau, könnte man sagen. Und sie will der Versuchung widerstehen: Sie fleht ihren triebhaften, von Kreuzschmerzen geplagten Theseus (Ernest Allan Hausmann) an, ihr das Mädchen, das sie als „Herzchen“ abschasselt, vom Hals zu schaffen. Er negiert die Warnung – und nun ist’s um Phädra geschehen: Sie steht zu Vollmond doppelt in Flammen.
Doch die einfühlsame Persea (Dagna Litzenberger Vinet) kennt sich mit Naturheilkunde aus. Schon nach wenigen Monaten hat sie einen zauberhaften Kräutergarten angelegt. So eine kann nur eine Hexe sein! Und der eifersüchtige Acamas, ein pickeliges Weichei mit panischer Angst vor dem Militärdienst, verrät dem naziblonden Hohepriester, was er im Badehaus hinterrücks erspäht hat. In der zweistündigen Inszenierung von Tina Lanik verlagert sich das Zentrum damit von Phädra zum diabolisch-schmierigen Kotzbrocken Panopeus. Philipp Hauß brilliert als Emporkömmling und ultraorthodoxer Fundamentalist, der mit dem Segen des Königs das Menschenopfer reaktiviert.
Der streng durchexerzierte Abend kippt nun in die Persiflage einer antiken Tragödie. Denn der Hohepriester gibt das „Tempelmagazin“ heraus. Im Interview mit diesem „dreckigen Klatschblatt“ hat die Königin einzugestehen, von Persea „verhext“ worden zu sein.
Nino Haratischwilis bestenfalls ambitionierte Überschreibung wechselt andauernd zwischen antiquiert anmutendem Ausdruck und rüdem Gegenwartssprech, das Spektrum reicht von „Arschgesicht“ bis zu „gequirlter Scheiße“, man lässt sich „volllaufen“ und raucht „Gras“. Da passt vieles nicht.
Auch am abgezirkelten Bühnenbild von Ausstatter Stefan Hageneier hat man sich irgendwann sattgesehen: Sophie von Kessel erobert sich leicht- und bloßfüßig immer wieder das quadratische Podest, dahinter legt sich eine schwarze Scheibe als Erdschatten mal mehr, mal weniger über den monströsen Mond. Nur einmal ergänzt ein zartes Kräutergartengrün die harte Farbtrias rot, weiß, schwarz. Dennoch gelingt Tina Lanik ein unglaublich packendes Finale. Alexander Van der Bellens „So sind wir nicht“ aus dem Mund Phädras, die Augen schreckgeweitet, verhallt verzweifelt. Viel Applaus.
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