Der kauzige Richard, ein Buchhändler aus Leidenschaft, passt als Stammgast hervorragend in dieses heruntergekommene Gasthaus der Jana Zelničková. Denn sie, die vom Leben wie vom Mann geprügelte Tschechin, lässt sich nicht fertigmachen, sie gewährt gar einem armen Tropf, dem taubstummen Petříčku, Unterschlupf. Und Richards Herz gehört generell den Asylanten, den Unterdrückten, den kleinen Leuten.
Ein Fremdkörper hingegen ist der Schulfreund, ein seriös gekleideter Dozent. Dieser Werner Hahn ähnelt entfernt der Blanche DuBois aus „Endstation Sehnsucht“ – und er muss erkennen, dass dieses Gasthaus eine Endstation ist.
Leider aber hat nicht Anna Viebrock aus alten Schanktischen und ramponiertem Mobiliar das Bühnenbild für die Uraufführung von „Bis nächsten Freitag“ gezimmert: Regisseur Alexander Kubelka betonierte brutalistisch eine fensterlose Aufbewahrungshalle in das Josefstädter Theater, bekrönt von einem riesigen Luster mit Strahlenkranz.
Doktor Hahn, der eitle Gockel
Er nimmt damit viel vorweg. Und er verhindert mit Abstraktion, dass man in die Geschichte, die uns Peter Turrini erzählt, eintaucht. Er winkt geradezu mit Zaunpfählen: Gegen Ende hin sitzen die Kameraden an einer langen Tafel, an der Jedermanns Tischgesellschaft hätte Platz nehmen können. Und der Luster wird zum Pendel einer Uhr: Die letzte Stunde hat geschlagen.
Doch bis dahin dauert es. Mit allerlei Zwischenspielen zieht Kubelka die ersten Treffen in die Länge – auf 90 Minuten bis zur Pause. Zum Glück aber wurde nicht in Turrinis Text eingegriffen. Wiewohl der Direktor des Josefstädter Theaters, Herbert Föttinger, durchaus Bedenken hätte haben können. Denn der von ihm verkörperte Doktor Hahn, ein eitler Gockel, ist ein Herrenmensch, der andere als „subhumane Erscheinungsform“ abqualifiziert: rassistisch, homophob, frauenverachtend, scharf nach rechts abgebogen. Mit Inbrunst verwendet er Bezeichnungen, die schon lange nicht mehr politisch korrekt sind.
Sein Gegenspieler, Erwin Steinhauer, belächelt ihn zumeist milde. Konsens ließe sich bei all den durchdeklinierten Stichwörtern – von Corona über den Sturm aufs Capitol bis zu Gendern und Cancel Culture – ohnedies keiner erzielen.
Man fragt sich staunend, warum dieser Richard just jenen Kollegen treffen will, der ihn einst, im Internat, als den „dicken Jesus“ verspottete. Mit der Zeit erst bröckeln die Fassaden – und zum Vorschein gelangen verzweifelte Kreaturen, abgehängt und ausgemustert. In ihrer Not klammern sie sich Freitag für Freitag aneinander.
Zu Herzen geht auch die Erzählung der beiden kleinwüchsigen Menschen, die nun Hochzeit feiern, über ihr Kennenlernen am Bahnhof von Attnang-Puchheim. Für den Dozenten sind „glückliche Zwerge“ das Letzte: Föttinger spielt den arroganten Kerl beängstigend gut. Und Steinhauer beseelt seine „Sitzmumie“ Richard, die von Mal zu Mal mehr verfällt.
Silvia Meisterle behauptet sich mit tschechischem Akzent energisch gegen die alten Männer, Andrea Mühlbauer und Sascha Schicht berühren, Marcello De Nardo ist als Peterchen eine Randfigur – mit großem Auftritt in der tieftraurigen Schlussszene. Doch „Bis nächsten Freitag“ wäre kein echter Turrini, wenn es nicht auch viele Pointen gäbe. Föttinger wie Steinhauer servieren sie mit großem Genuss. Da kann man auch über die Onanie im Schlafsaal lachen – und ganz besonders über die verlorenen Eier.
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