Das Mitterer-Stück nannte sich „Brüderlein fein“, und das Turrini-Stück, am Donnerstag als Kooperation mit dem Josefstadt-Theater uraufgeführt, zitiert ausgiebig das gleichnamige Lied. Denn Peter Turrini erzählt von einer Wiener Theatertruppe, die 1848, zwölf Jahre nach Raimunds Tod, aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen Raimunds Zauberspiel „Der Bauer als Millionär“ einstudiert, während draußen die Revolution tobt.
Henkersmahlzeit
Turrinis Herz schlägt für jene, die Demokratie und Pressefreiheit forderten, er leidet mit jenen, die von den kaiserlichen Truppen niedergemetzelt wurden. Der Menschenfreund und Mahner will aber noch weit mehr erzählen: Er nutzt seine verwegene Ausdenkung, um Missstände in der Gegenwart anzuprangern. Er kritisiert u. a. den Kapitalismus – und dass die Gönner glauben, sich alle gefügig machen zu können.
Das versucht er möglichst leichtfüßig, humorvoll zu erzählen. Über einen Erzähler, der einem – man wundert sich! – grundsympathisch ist, auch wenn er als Füsilier sein Geld mit dem Erschießen von Delinquenten verdient: Günter Franzmeier, ein hinreißender Volksschauspieler, verputzt zu Beginn genussvoll eine Henkersmahlzeit; an den Todgeweihten wäre das Schnitzel doch vergeudet, ihn aber mache es in der Hungersnot satt. Über die Vorgänge vermag er zu berichten, weil er gleichzeitig Hausmeister im Theater ist. Er rutscht wie zufällig in die Handlung hinein – angezogen von einer Sirene: Die Zäzilie der Johanna Mahaffy interpretiert geradezu betörend „Brüderlein fein“.
In den folgenden Spielszenen geht es recht chaotisch zu. Der eine Schauspieler hat ein Alkoholproblem, der andere legt die Rolle des Fortunatus Wurzel nieder, und ein Student rettet sich vor dem Militär ins Theater: Thomas Frank begeistert als Regisseur, der einen Sack Flöhe hütet, aber schließlich doch die Nerven schmeißt.
Turrini webt auch seine eigenen Theatererfahrungen ein. Über die brutale Strichfassung, die im Falle des Raimund-Stücks angedacht ist, muss er sich allerdings nicht beklagen: Stephanie Mohr brachte „Es muss geschieden sein“ ohne Kürzungen, sehr geschmeidig und gediegen in einer zeitgenössischen Backstage-Umrahmung von Miriam Busch zur Uraufführung. Es gibt daher bis zur Pause einige Längen (die wie Fremdkörper wirkenden Raimund-Szenen), die letzte halbe Stunde jedoch ist unglaublich dicht wie berührend. Viel Applaus für das gesamte Ensemble (darunter Susanna Wiegand), Turrini wurde mit Standing Ovations geehrt.
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