Das hinreißende Läuterungsdrama „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ angesetzt zu haben, erscheint fast logisch. Denn die Raimundspiele in Gutenstein bringen heuer, am 13. Juli, ohnedies ein Auftragswerk – Peter Turrinis „Es muss geschieden sein“ – zur Uraufführung, das lediglich den Geist von Ferdinand Raimund atmet. Und Böck hat bisher in Kobersdorf auf dessen Stücke verzichtet. Ganz so wild „romantisch“, wie sich Raimund einst sein „Original-Zauberspiel“ ausgedacht hat, ist die zweieinhalbstündige Fassung zum Glück nicht ausgefallen: Die Alpengeister haben nur einen Kürzestauftritt unter den Arkadenbögen. Und Astragalus scheint mit Sonnenbrille, Hut und schwarzen Umhang eher dem „Finsteren Tal“ entsprungen zu sein.
Auch das ist klassisch!
Dass er eigentlich ein Herzensguter ist, kann das Kammermädchen Lischen zunächst nicht glauben: Elisabeth Veit meidet tunlichst jeden Blickkontakt, denn laut Fake News der Biedermeierzeit altert man schlagartig um 40 Jahre, wenn man des Alpenkönigs ansichtig wird. Sie windet sich gar wie ein Wurm. Dabei kann sie ganz schön hantig sein. Jedenfalls gegenüber dem Jammerlappen-Diener Habakuk des Alexander Jagsch, der zwar nicht andauernd „Das ist klassisch!“ sagt (wie Robert Meyer bei den Festspielen Reichenau in Nestroys „Jux“), aber zumindest immerzu anmerken muss, zwei Jahre im Paris gewesen zu sein. Dort habe er einen solchen Ungustl wie den Gutsbesitzer Rappelkopf nicht erleben müssen.
„Verwandlungen“ fehlen natürlich, weil es im Schlosshof keinen Vorhang gibt. Doch Regisseur Michael Gampe vermag sich mit kleinen Tricks zu behelfen: Wenn jemand verschwinden soll, erstarrt er einfach. Und Erich Uiberlacker deutet ein Bühnenbild wohltuend nur mit Umrisslinien eines Hauses und Lichteffekten an. Es braucht auch gar kein Brimborium, wenn der Alpenkönig den Spiegel vorhält.
Zunächst überzeugt die Inszenierung mit einer äußerst klaren Artikulation; jedes Wortspiel wird mit Genuss zelebriert, Veit und Jagsch liefern sich auch in der Köhlerhütte, in die sich der von den Menschen enttäuschte Rappelkopf zurückzieht, ein Katz-und Maus-Spiel. Wirklich grandios aber wird der Abend nach der Pause: Wolfgang Böck brilliert, wenn er den gütigen Herrn von Silberkern spielen muss, aus dem andauernd der Rappelkopf herausbricht. Mit Entsetzen darf er feststellen, dass dieser, nun vom Alpenkönig (Gerhard Kasal) gespielt, tatsächlich ein Ungeheuer ist. Ja, so muss Komödie mit Tiefgang! Mit Amüsement stellt man fest, dass die Cancel Culture noch nicht bis ins Burgenland vorgedrungen ist.
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