"In die Avantgarde ausgestoßen"

Der Avantgardefilmemacher Peter Kubelka feiert Sonntag seinen 80. Geburtstag.
Filmemacher Peter Kubelka über Kunst und Kochen, Pudding und Bier und seinen 80er.

Peter Kubelka gilt als genuiner "Renaissance-Mensch". Er ist Lehrer, Leichtathlet, Judoka, Musiker, versierter Koch – und einer der berühmtesten Avantgardefilmemacher weltweit.

Im Jahr 1964 hat er gemeinsam mit Peter Konlechner das Österreichische Filmmuseum gegründet. Am Sonntag feiert er seinen 80. Geburtstag.

KURIER: Können Sie sich noch an den ersten Film erinnern, den Sie je gesehen haben?

Peter Kubelka: Ich war noch ein Volksschüler, als ich im Dorfgasthof von Taufkirchen im Innviertel, wo ich aufgewachsen bin, einen Werbefilm für Dr. Oetkers Vanillepudding sah. Da war dieser finstere Saal, hauptsächlich von Frauen besucht – dicke Köchinnen, die vor allem wegen des Puddings gekommen waren. Ich stand ganz vorne, habe das Lichtspiel der Leinwand gesehen und war fasziniert. Es war nicht der Inhalt – den hab ich später meiner Großmutter berichtet. Die meinte nur: "Geh, das ist kein guter Pudding, den mach’ ich viel besser, weil ich nehm’ kein Pulver, sondern mach’s mit Eiern." Trotzdem war dieser Pudding jahrelang meine Leibspeise, den ich in großen Mengen gegessen habe.Es war ein zutiefst entscheidendes Erlebnis.

Sie bekamen ja auch als erster Mensch eine Professur in Frankfurt für "Kunst und Kochen"?

Ja, die Professur hieß "Kochen als Kunstgattung", und ich habe sie nicht bekommen, sondern erstritten – oder besser, erkocht. Argumentieren konnte ich es nicht hinreichend. Aber ich habe immer wieder gekocht, und irgendwann haben sie mir dann diese Professur gegeben. Ich bin ja in der Küche meiner Großmutter aufgewachsen, die eine große Künstlerin war. Alles, was sie gemacht hat, war perfekt. Daher wusste ich, was großes Kochen ist.

Ursprünglich aber wollten Sie doch Musiker werden?

Ja, ich wollte und sollte Musiker werden und spielte Klavier und Geige. Bach ist für mich bis heute meine Lebensmedizin. Aber mit 17 entschied ich mich, Filme zu machen. Ich habe immer in zwei Welten gelebt. Zu Hause war meine Großtante, die war sehr gebildet. Und tagsüber spielte ich mit den Bauernkindern. Diese Distanzierung hat mir sehr geholfen: Ich war überall ein bisserl zu Hause, aber nie ganz.

Wie Sind Sie zum Avantgarde-Film gekommen?

Ich wurde in die Avantgarde ausgestoßen. Mein erster Film, "Mosaik im Vertrauen" (1955, Anm.) war sechzehneinhalb Minuten lang. Da sagte ein liberaler französischer Verleiher zu mir: "Wissen Sie, das gibt es nicht: Ein Spielfilm hat 90 Minuten, ein Vorfilm hat 12 Minuten. Schneiden Sie bitte vier Minuten heraus." Als mir klar wurde, dass ich keine vier Minuten heraus schneiden wollte, hat er sich meinen Film gar nicht erst angeschaut. So kam ich in die Avantgarde, gegen meine Absicht.

Sie drehten den experimentellen Werbefilm "Schwechater". Heute ist dieser Film ein Klassiker, kam aber wohl bei Ihren Auftraggebern nicht gut an?

"In die Avantgarde ausgestoßen"
Filmstills aus Kubelka-Film "Schwechater"
Ja, die waren sehr böse, und im Gefolge dieser Sache habe ich für einige Zeit das Land verlassen. Ich war 1958 in Brüssel auf der Weltausstellung eingeladen, und sie haben mir nicht erlaubt, den Film dort zu zeigen. Aus heutiger Sicht kann ich ihnen das nicht verübeln. Ihre Absicht war ja nicht, die Filmgeschichte zu bereichern, sondern Bier zu verkaufen. Inzwischen lief der Film auf der ganzen Welt und übte eine sehr starke Wirkung aus. Er bestand aus Einzelbildern und vertrat die These, dass Film nicht Bewegung ist, sondern in rascher Folge ablaufende Information von statischen Bildern.

Hat Schwechater im Nachhinein die Karriere gesehen, die dieser Film gemacht hat?

Nein. Es gibt zum Beispiel ein Schwechater-Museum in Wien, in dem dieser Film nicht vorhanden ist. Aber das macht nichts (lacht).

Sie sind versöhnt?

Sicher. Schauen Sie, ich bin jetzt vor dem Ende meines Lebens, da glätten sich die Wogen. Man sieht die Vergangenheit anders, man sieht auch die Standpunkte seiner Gegner. Letzten Endes habe ich gewonnen.

Gewonnen hat auch das von Ihnen und Peter Konlechner gegründete Filmmuseum, das heuer sein 50-Jahr-Jubiläum feiert. Was hat es im Zeitalter des Digitalen für eine Aufgabe?

Für mich ist die digitale Wiedergabe nicht eine nahtlose Fortsetzung des analogen Films, sondern ein völlig anderes Medium. Wenn Sie heute in New York zum Times Square gehen, dann sehen Sie Bilderflächen höher als die Pyramide und heller als die Sonne. Das digitale System funktioniert auch bei Tageslicht. Der analoge Film hingegen ist nur deswegen im dunklen Raum, weil er bei Licht nicht funktioniert. Damit hat sich aber die wunderbarste Situation ergeben, die man haben kann: durch den Kopf eines Autors auf die Welt zu blicken. Daher müssen Museen verstehen, dass sie nicht Inhalte aufbewahren, sondern Blechdosen mit Filmstreifen. Würde das Kunsthistorische ankündigen: "Wir digitalisieren alle Bilder mit der Möglichkeit, sie im Original zu projizieren", dann würde auch gleich jeder sagen: "Das ist aber nicht das Gleiche."

Wie feiern Sie Ihren 80. Geburtstag?

Ich habe mit Geburtstagen nicht viel am Hut. Es wird mir damit auch gesagt, wie alt ich schon bin. Und wenn ich mich auch noch ganz gut fühle, dann sagt doch die Statistik, dass ich nicht mehr so viel vom Leben vor mir habe.

Planen Sie noch einen Film?

Ach, ich habe meinen letzten Film eigentlich schon gemacht: Er ist mein Testament, heißt "Monument Film" (2012) und ist ein Denkmal für den analogen Film. Er zeigt Film als Ereignis und als Medium, das mit Licht, Dunkel, Ton und Schweigen arbeitet.

Das Filmmuseum bringt ab Sonntag (bis 9. April) die Filmschau "Peter Kubelka. Zum 80. Geburtstag".

Die Retrospektive zeigt mehrmals die Filme Kubelkas, kaum bekannte Dokumente, und gibt ein umfassendes Bild von der Arbeit seiner ehemaligen Studierenden an der Frankfurter Städelschule. Weiters finden auch ein Vortrag von Kubelka selbst (am 2. April) und ein Podiumsgespräch über sein Werk statt (28.3.).

Details zum Programm unter: www.filmmuseum.at

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