Unmögliche Schwammerln

Macht (nebenbei) Lust auf eine Schwammerlsoße: Peter Handke
Morgen erscheint sein Buch über den „Pilznarren“, der in der Wüste sucht.

Kann schon sein, dass Peter Handkes Liebe zu den Schwammerln damit zu tun hat, dass sich die meisten nicht züchten lassen. Dass sie Widerstand leisten, eine wilde Gesellschaft sind, nicht zu zähmen.

Die Krausen Glucken, die Schwefelköpfe, Habichtspilze, Totentrompeten ...

Schreibt er über sie, kann er unmöglich „Schwammerln“ zu ihnen sagen.

Schätze sind sie, letzte Wildnis, letztes Abenteuer. Überhaupt der Steinpilz, „König der Fußvolkscharen“:

„Hallo, du König!“ ruft ihm der Dichter zu. „Salve, Kaiser!“

Selbst die Bezeichnung „Eierschwammerln“ wird vermieden, dann schon lieber „die Gelben“.

Süchtig

Nebendarsteller waren sie schon mehrmals in Handkes Schriften. In „Versuch über den Pilznarren“ – ab Montag in den Buchhandlungen – sind sie die süchtig machenden Stars.

Im vorangegangenen Essay über „den Stillen Ort“ war es der Dichter höchstpersönlich, der von einem Klo zum nächsten streifte und das Häusl als Ort des Rückzugs wichtig nahm.

Bei den Pilzen schlüpft er in die Rolle eines „Dorfkindheitsfreundes“, der später Anwalt wurde, Verteidiger vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal.

So also will sich Peter Handke sehen; und schreibt Autobiografisches, wenn er von „den Gelben“ erzählt, die er als Bub in Kärnten gesammelt und verkauft hat, um sich die ersten Bücher leisten zu können.

Er begrüßt die Pilze, ihren Geruch und ihre Farbtöne als Mittel gegen Langeweile.

Und macht den Wald zum Zwischenraum, der ihn von der Außenwelt trennt, ihn aber vom gänzlichen Absondern bewahrt.

Wahnsinnig

Anders als in früheren Essays geht Handke zu einem Märchen über. Wär’ nicht unbedingt notwendig gewesen: Es reichte, mit ihm gemeinsam fast ehrfurchtsvoll auf dem Klo zu sitzen und die Stille zu genießen.

Unmögliche Schwammerln
Es hätte diesmal genügt, mit ihm zu hören, wie Eichen rauschen, Buchen brausen, Birken rascheln.

Aber wie er meint.

Jetzt hat er halt den „Dorfkindheitsfreund“, und wenn der schon einmal da ist, so lässt er ihn vorübergehend wahnsinnig werden:

Die Pilze sind ihm, ganz ohne Verzehr, zur Droge geworden. Er sucht sie sogar im Sand der Wüste und verwechselt Kuhfladen, ja sogar Papiertaschentücher mit ihnen. Und anstatt vor Gericht sein Barett aufzusetzen, setzt er einen großen Schirmpilz auf – eine makrolepiota.

Es heißt, Peter Handke habe immer Pilze in der Tasche (und wenn nicht, dann zumindest getrocknete Beeren, Kastanien, Blätter – denn es geht doch vor allem ums Gehen, ums Bücken und ums Stöbern).

Es heißt auch, er kenne 40, 50 Arten von Pilzen, und was er aus ihnen zubereite, sei köstlich.

Ein Freund wies allerdings bei Handkes 70. Geburtstag darauf hin, dass er sich manchmal irre.

KURIER-Wertung: **** von *****

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