Während sich in Los Angeles zu Beginn der 1930er-Jahre die Wolken etwas lichten, sich Hollywood von der Weltwirtschaftskrise langsam erholt, hat einer schwer mit seiner Vergangenheit und Gegenwart zu kämpfen: Perry Mason (Matthew Rhys) – ausgehungert, unrasiert und abgebrannt. Seinen Lebensunterhalt verdient sich der Privatdetektiv mit dubiosen Jobs von oft mafiösen Auftraggebern.
Aber Moment, Perry Mason? Das ist doch die legendäre Romanfigur von US-Autor Erle Stanley Gardner, die von 1955 bis 1967 als Fernsehserie verfilmt wurde, damals mit dem kanadischen Schauspieler Raymond Burr in der Titelrolle. Vom in allen Lebensbereichen makellosen Strafverteidiger, der seine Mandanten (fast) immer vor dem Gefängnis bewahrte, der alle Fälle (bis auf einen) gewann, ist aber nicht mehr viel übrig geblieben. Das liegt daran, dass das HBO-Remake (ab 31. Juli auf Sky abrufbar) ein paar Jahre zurückgeht – zum Verlierer Perry Mason, der mit Senfflecken auf der Krawatte und Flachmann in der Brusttasche Kundentermine wahrnimmt.
Er schleppt sich freudlos durch sein Leben, wird von seiner Zeit im Ersten Weltkrieg heimgesucht, die in Rückblenden zu sehen ist. Er lebt auf einer alten Milchfarm, die seine Eltern ihm hinterlassen haben. Geblieben sind ihm eine Kuh und lustbefreiter Sex mit einer trinkfesten Pilotin (Veronica Falcon), die sein Grundstück kaufen will. Seine Frau hat ihn verlassen und ihren Sohn mitgenommen. Kontaktaufnahme sinnlos.
Verlogen
Die achtteilige Neuauflage mit Matthew Rhys als Perry Mason hat mit der damaligen TV-Serie also kaum etwas gemein. Sie setzt dort an, wo alles begann: Mehr schlecht als recht verdingt er sich als Privatdetektiv. Ein missglückter Entführungsfall, den er lösen möchte, offenbart ihm, wie verlogen Los Angeles (inklusive Polizeiapparat) ist.
Der Fall, den Perry Mason von seinem Auftraggeber, dem Rechtsanwalt E. B. Jonathan (John Lithgow), bekommt, ist voller Rätsel und Widersprüche: Das Baby einer scheinbar intakten Familie wurde entführt und trotz Übergabe des Lösegelds getötet. Der spielsüchtige Ehemann (Nate Corddry) wird daraufhin verdächtigt, sein eigenes Kind entführt zu haben. Und auch die Ehefrau (Gayle Rankin) hat keine weiße Weste: Sie pflegte eine Liebesbeziehung zu einem der Entführer. Verständlich also, dass die Boulevardpresse zur Stelle ist und die Situation zusätzlich anheizt. Doch Perry Mason, der charmante Loser mit Alkoholproblemen, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn der Spiegel stimmt.
Düstere Bilder
Das von Rolin Jones und Ron Fitzgerald fertiggestellte Drehbuch (Nic Pizzolatto verabschiedete sich, um an der 3. Staffel von „True Detective“ zu arbeiten) wurde von Regisseur Tim Van Patten (u. a. „Die Sopranos“) umgesetzt und von Robert Downey Jr. mitproduziert.
Gelungen ist ihnen ein unaufgeregt erzähltes und fesselndes Krimi-Drama, das wunderschöne sepiafarbene Bilder aus dem Kalifornien der 1930er-Jahre zeigt. In den USA, wo die Serie bereits ausgestrahlt wurde, hat „Perry Mason“ funktioniert. So gut, dass HBO soeben eine zweite Staffel in Auftrag gegeben hat.
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