"Peer Gynt“ als Kapitalismuskritik

Bo Skovhus (links) in der Titelrolle im Theater an der Wien
Die Oper von Werner Egk hätte ruhig in der Mottenkiste bleiben können.

Das Theater an der Wien zeigt als Neuproduktion die Oper "Peer Gynt" von Werner Egk. Damit wird ein Sinn definitiv erfüllt: Es wird belegt, dass nicht jedes Hervorkramen einer Rarität lohnend ist. Manche Werke kann man durchaus in der Mottenkiste weiter vor sich hinschimmeln lassen. Ein bisschen viel Aufwand nur für diese Beweisführung.

Egks Oper wurde 1938 uraufgeführt. Und man kann nicht umhin zu betonen, dass Hitler dieses Werk äußerst schätzte. Nun könnten manche freilich einwenden: Er hat auch andere Musikstücke geschätzt. Stimmt, aber möge bitte diesfalls niemand mit Beethoven- oder Wagner-Argumenten kommen. Und zwar aus musikalischen Gründen.

Olympiagold in Berlin

Egk, ein Karrierist und Nazi, der 1936 Olympiagold in der Kategorie Orchestermusik gewann (das wurde damals vergeben), hat auch das Libretto, frei nach Ibsen, geschrieben. Es ist, ebenso wie die Musik, dramaturgisch alles andere als überzeugend, sondern Stückwerk. Die Komposition ist traditionell, ja altmodisch. Wenn es Ausflüge in andere Genres gibt, Richtung amerikanischer Klänge oder Walzer, sind diese klischeehaft und erfüllen Selbstzweck. Egk in eine Reihe mit Weill zu stellen, wie es oft getan wurde, ist absurd.

Dirigent Leo Hussain am Pult des RSO Wien bemüht sich, das Maximum aus der Partitur zu holen. Es wird präzise und sensibel musiziert (etwa Solveigs romantisiertes Lied am Ende). Problematisch ist leider der szenische Zugang von Peter Konwitschny – schreibt ein bekennender Konwitschny-Bewunderer.

Der Meisterregisseur zeigt das Werk als lose Bilder-Folge (was es ja leider auch ist). Die Welt der Trolle ist bei ihm ein Konsumtempel mit Sonderangeboten. „Ich kaufe, also bin ich“ steht neben „Billig + Billig = Reich“. Minutenlang starren die Mitglieder des (fabelhaften) Schoenberg Chores auf einen Bildschirm, statt dass es auf der Bühne etwas zu sehen gäbe. Schön ist der Kunstgriff, dass Solveig und die Rothaarige von einer Person gespielt werden (darstellerisch und sängerisch berührend und intensiv: Maria Bengtsson) – Liebende und Verführerin gleichermaßen. Da ist Konwitschny so gut wie kaum ein anderer: In der Psychoanalyse, in der Offenlegung der Beziehungen, der Strukturen. Das kann er bei diesem Werk zu wenig ausspielen, daher es ist für ihn nicht ideal. Das Geheimnisvolle, die Träume, die Reisen sieht man höchstens als Mikroversion. Auch die Werkgeschichte ist nur kurz angedeutet, etwa durch eine Zeitung, auf der „Troll Adolf“ steht. Eine politische Auseinandersetzung auf einer Meta-Ebene sieht anders aus.

Bo Skovhus spielt und singt mit größtem Engagement und famos, Natascha Petrinsky ist eine seriös besetzte Aase mit schöner Tiefe, Rainer Trost ein guter Trollkönig. Der arme Stefan Cerny muss großteils aus einem Auto singen, einem 1978er Toronado (er hätte eine andere Präsenz verdient). An der grundsätzlichen Problematik können sie allesamt nichts ändern.

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