Paulus Manker: "Er lügt wie alle Politiker"

Paulus Manker: "Er lügt wie alle Politiker"
"Alma" ist zurück. Theatermacher Paulus Manker erklärt, warum er trotzdem nicht zufrieden ist mit Wien und was er von Kulturstadtrat Mailath-Pokorny hält.

Er hält sich für zartbesaitet und ist für Rundumschläge immer zu haben. Theatermacher Paulus Manker über die Rückkehr von "Alma" und seine Probleme mit der Kulturpolitik.

KURIER: Herr Manker, Ihre "Wutrede" anlässlich Ihrer Auszeichnung bei der Nestroy-Verleihung 2010 steht noch immer ganz oben auf Ihrer Homepage. Gilt das alles noch, was Sie damals gesagt haben? Dass sich die Kulturministerin nicht genug um Kultur kümmert und die Subventionen hauptsächlich den etablierten Institutionen zu Teil werden?
Paulus Manker: Es war eine Dankesrede, keine Wutrede. Schließlich wurde ich geehrt. Wissen Sie, ich war grad einige Monate in München. Was ich da an phantastischem Theater gesehen habe, übertrifft in so hohem Maße alles, was es bei uns zu sehen gibt, dass nur die Kulturpolitik daran schuld sein kann. Am Residenztheater, an der Oper, an den Kammerspielen. Und wissen Sie, wer das dort macht? Martin Kusej und Klaus Bachler, zwei Österreicher. Dort spielen Minichmayr, Moretti, Ofczarek, Hering. Und der Holländer Johan Simons leitet die Kammerspiele. München ist Theaterhauptstadt. Wenn Sie mir eine halbe Seite geben, schreibe ich drüber.

Sie haben auch den Kulturstadtrat massiv kritisiert, weil die Stadt Wien keine Subventionen für „Alma" zahlt und Sie mit Ihrer Produktion deshalb nach Prag auswandern mussten. Andreas Mailath-Pokorny bestritt das im KURIER-Interview. Wie ist das Verhältnis zum Stadtrat jetzt?
Er lügt, wie alle Politiker. Wir bekommen auch heuer keine Unterstützung. Kulturstadtrat Mailath-Pokorny ist ein kunstferner Apparatschik, der einen bestraft, wenn man sich ihm gegenüber nicht subaltern genug benimmt. Der liebt vielleicht das Donauinselfest – sonst aber nix. Marke: Gemeindebau. Aber wir bereisen seit 17 Jahren die ganze Welt, auf drei Kontinenten, mit 420 Vorstellungen vor ausverkauften Häusern. Woanders wäre das eine Sensation – bei uns wird man dafür geächtet. Das ist typisch österreichisch: auf eine Produktion mit diesem Erfolg wäre jedes andere Land stolz, unsere Kulturpolitiker nicht. Aber die fahren ja auch nicht nach Cannes, wenn dort zwei Österreicher den Wettbewerb dominieren. (Anm.: Laut Stadtratbüro wurde „Alma" in den letzten zehn Jahren allein von der Stadt Wien mit einer halben Million Euro gefördert.)

Sie haben den Glücksspielkonzern und Kultursponsor Novomatic sehr gelobt. Muss sich ein Kulturschafffender in der Kulturnation Österreich auf die Großzügigkeit eines Aufstellers von einarmigen Banditen verlassen?
Mir sind einarmige Banditen lieber als jene im Nadelstreif oder in Ministerrang, wie wir sie täglich im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu sehen bekommen. Auch heuer haben wir einen Unterstützer: den Immobilienentwickler IMMOVATE. Er hat das Post- und Telegrafenamt gekauft wird dort tolle Appartements bauen, hat aber den Baubeginn extra in den Herbst verschoben, damit wir im August noch ein letztes Mal „ALMA" spielen können. So etwas nenne ich Kulturgeist.

Böser Bube, Enfant Terrible: Ihr Image, "nicht pflegeleicht zu sein", macht den Journalisten viel Freude. Was halten Sie eigentlich von Journalisten?
Die Journalisten haben dieses Image erfunden, sie pflegen es und hegen es, weil sie zu faul sind, selber herauszufinden, wie ich wirklich bin. Und Sie tun es ja gerade auch, nicht wahr?

Ich hab im Kurier-Archiv nachgeschaut. In der Gesellschaftskolumne von Karl Hohenlohe kommen Sie mehr als 20 Mal vor. Er scheint einen Narren an Ihnen gefressen zu haben. Ist das nicht schlecht für die Imagepflege?
Karl Hohenlohe ist ein treuer Besucher unserer "Alma" und findet als Hocharistokrat immer den rechten Ton. Ich bin ein nobler, feinsinniger Mensch, dem der Adel ein Gefühl von Zuhause gibt. Hohenlohe hat in mir die verwandte Seele erkannt.

Unter anderm kommen Sie in seiner Kolumne als "bekennender Rüpel" vor. Sind Sie das?
Ich bin sehr zart besaitet. Ein Ästhet. Ein zärtlicher Liebhaber und Feingeist. Nur reizen sollt` man mich nicht.

Haben Sie das Ulrich Seidl-Stück „Böse Buben", an dem Sie zum Beginn mitgewirkt haben, gesehen? Sind Sie froh, dass Sie ausgestiegen sind?
Ich bin nicht ausgestiegen, ich wurde von den Wiener Festwochen hinausgeworfen. Ich wollte bis zuletzt mitmachen – man ließ mich nicht. Und muss jetzt vor Gericht gehen, um mein Recht zu bekommen.

Folgende Situation: Wenn Leute Sie persönlich kennen lernen und von Ihnen "Küss die Hand zu hören bekommen": Sie die dann enttäuscht?
Ich küsse Damen auch tatsächlich die Hand. Und ich weiß auch, wie es geht: mit geschlossenem Mund und einer leichten Berührung des Handrückens. So will es das spanische Hofzeremoniell. Ohne Berührung ist es Pipifax. Und wenn ich es ernst meine, drehe ich die Hand um und küsse die feuchte Innenseite. Dabei öffne ich leicht die Lippen und atme ein wenig aus.

Paulus Manker: "Er lügt wie alle Politiker"

Sie haben auch Fans. Der israelische Schriftsteller Joshua Sobol bezeichnet Sie auch nach 17 Jahren "Alma" als "Lieblingsregisseur", Sie arbeiten an einem weiteren gemeinsamen Projekt. Können Sie darüber schon etwas verraten?
Nein. Mit Sobol verbindet mich eine Künstlerfreundschaft, die selten ist. Er versteht mich auf eine Weise, die ich nur von ihm kenne. Er ist ein Weiser, ein Zaddik. Wir arbeiten seit 27 Jahren zusammen, ich habe auch in Israel Stücke von ihm inszeniert. Außerdem erklärt er mir als Jude, was so schwierig am Jude-Sein ist. Mit Ariern können sie darüber nicht reden. Ein kluger Jude ist immer auch ein Philosoph, ein kluger Arier ist ein Besserwisser.

Zur Alma: Wie behalten Sie nach so langer Zeit das Interesse an dieser Produktion?
Weil es eben diese stupide Wiederholung des ewig Gleichen nicht gibt. Das Wesen des Theaters ist Einmaligkeit. Unverwechselbarkeit. Das bieten wir in einer Form, die es in diesem Extrem noch nicht gegeben hat. Da geht es mir wie dem Publikum: sie kommen immer und immer wieder. Manche zehn, manche zwanzig mal, einige waren auf allen Kontinenten, an allen Spielorten, von Los Angeles bis Jerusalem, von Lissabon bis Prag. Und sie sind auch heuer wieder da. Wir sind bereits zu 50% ausverkauft – ohne die geringste Publicity. Wir haben leider kein Geld für sowas.

Wie hat sich das Stück im Vergleich zu damals verändert?
Wir haben in all den Jahren immer wieder neue Szenen hinzugefügt, auch neue Figuren. "Alma" ist ein lebendiges Theaterstück, es wir jedes Jahr neu erfunden. Mit teils neuen Schauspielerinnen, und Schauspielern, mit einem neuen Spielort und sogar mit neuen Sprachen. Wir spielen ja auch heuer in Wien in Deutsch und Englisch. Die Besetzung ist ein „best of" der verschiedenen Spielorte, der Gustav Mahler kommt aus Israel, Alexander Zemlinsky aus Portugal, andere aus den USA oder Ungarn. Aber mit der Alma haben heuer einen Coup gelandet: Jutta Hoffmann, der größte Filmstar der DDR, die später bei Peter Zadek und Einar Schleef Triumphe gefeiert hat, wird sie spielen. Eine absolute Königin!

Alma: Ab August am Wiener Börseplatz

Das Stück: "Alma – A Show Biz ans Ende", das von Manker inszenierte Drama von Joshua Sobol, kehrt noch einmal nach Wien zurück: 1996 im Sanatorium Purkersdorf uraufgeführt, ist die Produktion nun von 2. bis 19. August im k.k. Post- und Telegrafenamt am Börseplatz zu sehen.

Die Darsteller: Die Rolle der Alma Mahler-Werfel übernimmt die deutsche Film- und Theaterschauspielerin Jutta Hoffmann, die übrige Besetzung stammt aus den Spielorten der letzten 17 Jahre. Paulus Manker selbst ist wieder Oskar Kokoschka.

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