Paula Beer im Interview: „Ich vermisse eine weibliche Sicht“
Paula Beer ist erst 25 Jahre alt, aber trotzdem schon ein Fixstern am deutschen Schauspielhimmel. Seit sie mit 14 in dem Historiendrama „Poll“ (2010) ihre erste große Kinorolle bekam, ging ihre Karriere steil nach oben.
So spielte sie prominent in Andreas Prochaskas Alpenwestern „Das finstere Tal“ (2014) und in François Ozons Melodram „Frantz“ (2016). Auch im Fernsehen ist Paula Beer stark vertreten: In der akklamierten TV-Serie „Bad Banks“ verkörpert sie eine smarte Investmentbankerin.
In Christian Petzolds märchenhafter Liebesgeschichte „Undine“ (ab Mittwoch im Kino), spielt Paula Beer eine moderne Version der berühmten Wassernixe. Im Mythos muss Undine den geliebten Mann, wenn er sie verlässt, töten. In Petzolds Version ist Undine eine Berliner Stadtführerin, die sich in einen Industrietaucher (Franz Rogowski) verliebt.
Auf der Berlinale erhielt Paula Beer dafür den Silbernen Bären als Beste Darstellerin.
Undine
KURIER: Frau Beer, Undine ist eine Wassernymphe, die nur durch die Liebe eines Mannes eine Seele bekommt. Wenn er sie verlässt, muss sie ihn töten. Was ist an so einer Frauenfigur interessant?
Paula Beer: Das Tolle finde ich vor allem die Vermischung der Ebenen: „Undine“ ist weder eine klassische Märchenfigur, noch ein modernes Rachedrama. Aspekte aus beiden Welten spielen hinein, was selten ist und große Freude macht. Ich mag Undines Offenheit, den unbeirrbaren Glauben an die Liebe und ihre Bedingungslosigkeit darin.
Lässt sich so eine durch einen Männermythos stark geprägte Frauengestalt modernisieren?
Undine ist in der Sage zwar immer abhängig von den Männern, die mit ihr zusammen sind, aber sie ist auch nicht nur das Opfer, das verlassen wird. Sie ist viel mehr Opfer eines Fluchs und auf der Suche nach der Liebe. Und diese Suche ist, denke ich, zeitlos. Heute sucht doch jeder nach dem perfekten Partner. Es gibt so viele Datingplattformen wie nie, denn es könnte noch immer das bessere Match kommen. Und Undine rechnet mit diesen auf Optimierung getrimmten Egos ab. Bei ihr zählt das Wort und das gegebene Liebesgeständnis.
Undine sagt zu ihrem (ersten) Geliebten: „Wenn du mich verlässt, muss ich dich töten.“ Dieser Satz ist natürlich dem Mythos verpflichtet. Aber können Sie mit der Radikalität eines Liebesanspruches etwas anfangen?
Nein, das funktioniert nur in Undines Welt. Deswegen ist Johannes auch so irritiert und tut Undine als Spinnerin ab. Man kann einen anderen Menschen nicht besitzen.
Wie schwierig waren die Unterwasser-Drehs?
Wir waren zwei Tage komplett unter Wasser und hatten keinen Zeitdruck. Für einen Unterwasserdreh gibt es eine eigene Unterwasser-Crew. Für den Regisseur werden Lautsprecher ins Wasser gehangen, damit er uns Anweisungen geben kann. Aber natürlich kann man nicht antworten und kommuniziert in Zeichensprache. Das dauert alles wesentlich länger, da wir Menschen im Wasser nicht so flott sind wie an Land.
Wasser ist Undines Element. Wurde Ihr eigenes Spiel vom Wasser beeinflusst?
Ja, tatsächlich hat mir das Wasser sehr geholfen – schon bei den Tauchstunden in der Vorbereitung. Es ist ein Element mit ganz anderen Qualitäten und Kräften. Man kann sich anders bewegen, und die Zeit scheint unter Wasser auch anders zu vergehen. Beim Tauchen kommt der Körper in einen Bereich, in dem er unter normalen Umständen, also ohne Tauchgeräte, sterben würde. Und das macht etwas mit einem. Man hört seinen Puls, spürt den Wasserdruck auf der Lunge. Es ist eher eine Meditation, in der man sich selber sehr gut kennenlernt.
Wie wichtig ist es für Sie, aus der Perspektive der Frau zu erzählen? Vermissen Sie das manchmal im Kino?
Ich vermisse vor allem eine weibliche Sicht, nicht nur weibliche Figuren. Die meisten Frauenfiguren sollen momentan „stark“ sein, also stigmatisierte männliche Charakterzüge haben, und werden aus einer männlichen Perspektive erzählt. Was Weiblichkeit und Frausein ausmacht, ist dabei oft nicht von großer Bedeutung. Warum können Frauenfiguren nicht genau so differenziert und vielseitig sein, wie es auch Männerfiguren sind?
Sie blicken bereits auf eine lange Schauspielkarriere zurück. Unter anderem spielten Sie mit Tobias Moretti in dem österreichischen Film „Das finstere Tal“. Was haben Sie für Erinnerungen daran?
„Das finstere Tal“ war der erste Film für mich, den ich ganz ohne Hausaufgaben nebenbei machen konnte: Der erste Film frei von der Schule. Das hat die Arbeit natürlich sehr verändert, weil ich mich ganz anders auf den Film konzentrieren konnte. Zudem habe ich das erste Mal im Dialekt gespielt, was auch eine sehr tolle Erfahrung war. Insgesamt habe ich sehr viel bei diesem Projekt gelernt.
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