Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

Als leiser Komiker mit abgründig dunkler Stimme unvergesslich: Otto Sander starb mit 72 Jahren.

Otto Sander wirkt immer, als stecke er in der Haut einer Lachträne Gottes, die gerade auf die Erde tropft“, schrieb einmal Gerhard Stadelmaier, die Edelfeder der deutschen Theaterkritik.

Am Donnerstag ist der schnauzbärtige Schauspieler mit dem Ausdruck müd geschmerzter ironischer Melancholie in den traurig witzblinkend wässrigen blauen Augen im Alter von 72 Jahren in Berlin an einer Krebserkrankung gestorben.

Otto Sander: Eine Auswahl seiner Rollen

Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

PHOTOPROBE "JEDERMANN"/SALZBURGER FESTSPIELE
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

German actor Otto Sander looks through the 'Golden
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

Wahnfried (1/2)
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

" Ein Sommernachtstraum"
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

GERMAN ACTOR JUHNKE AND SANDER GESTURE
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

KIRSTEN DENE AND OTTO SANDER PLAY DURING A DRESS R
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

BURGTHEATER "OEDIPUS IN KOLONOS"
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

Donau
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

Das Traumschiff "Mauritius"
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

OTTO SANDER AND ULRICH TUKUR PERFORM DURING A DRES
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

PHOTOPROBE "JEDERMANN"/SALZBURGER FESTSPIELE
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

GERMANY SCHWERIN FILM ART FESTIVAL
Otto Sander: Abschied von einem großen Charakterdarsteller

German actor Sander poses on red carpet in Berlin

Theater-Urgestein

Der Mann mit dem zerknitterten Gesicht und der markanten Stimme, 1941 in Hannover geboren, wurde durch seine Auftritte in Peter Steins legendärer „Schaubühne am Halleschen Ufer“ von 1970 bis 1981 zur Kultfigur.

Er feierte aber auch beim Film Erfolge – u. a. als ständig betrunkener Trompeter in Volker Schlöndorffs „Blechtrommel“, als Ritterkreuzträger Thomsen in Wolfgang Petersens U-Boot-Drama „Das Boot“ und als schweigsam entrückter Zauberengel Cassiel in Wim Wenders’ Klassiker „Der Himmel über Berlin“.

Hörbücher von Wilhelm Busch bis Beckett machte er zum Erlebnis mit seiner unsterblichen sonor-knarzenden Stimme: Ausdruck der von Sander kultivierten feinen Schnoddrigkeit, schlurfigen Gelassenheit, dem lax hingegrummelten Daseinstragödischen, das oft ins Lakonische mündete: „Mal gucken, was noch kommt ...“

Als junger Mensch war er scheu, einsam, zart und blass. „Mit blauen Augen und roten Haaren, da bleibt einem nur, Intellektueller zu werden oder Spaßvogel“, fand Sander. Und wurde beides.

Die typischen Figuren, die der Ziehvater von Ben und Meret Becker spielte, haben es nicht leicht im Leben, wirken aber immer komisch.

Aberwitzig

„Komik ist nicht, wenn man selber lacht, sondern wenn die Leute über einen lachen, weil einem so viel Unglück zustößt“, fand Sander. „Das befreit die Zuschauer: Gut, dass mir das nicht passiert, aber dem da oben. Wie die Clowns, die im Zirkus gegen die Wand rennen und umfallen.“

Sein Biotop war das Bittersüße. Fast sein ganzes Leben stand er auf der Bühne oder vor der Kamera. Sanders „Fach“: ein melancholischer, leiser, mitunter anarchistischer oder verzweifelter Komiker. Als Vorbilder nannte er einmal die Marx-Brothers, Curt Bois und Samuel Beckett: „Sie betrieben diese Art von Anarchie. Und ich tue es auch – stellvertretend – auf der Bühne und im Film.“

Seine Methode war, Probleme spielerisch zu lösen: „Ich umspiele den wichtigen Punkt so lange, bis ich den Mittelpunkt treffe.“ Also Spielen als Umspielen.

Für seine Rolle in Botho Strauß’ „Kuss des Vergessens“ (Regie: Matthias Hartmann) in Bochum wurde er 1999 zum „Schauspieler des Jahres“ gewählt, zum zweiten Mal nach 1979. Ebenfalls am Schauspielhaus Bochum brillierte Sander als mehr tragischer denn komischer „Hauptmann von Köpenick“.

Er hat rund 130 Kino- und TV-Filme gedreht. Das Fernsehpublikum kannte ihn vor allem aus der ARD-Krimireihe „Polizeiruf 110“. Im Kino war Sander zuletzt in der Seniorenkomödie „Bis zum Horizont, dann links!“ zu sehen.

Unvergesslich bleibt seine große Kunst, mit minimalen Mitteln maximale Wirkung zu erzielen – unsterblich diese dunkelsamtige, erotische Stimme, für immer festgehalten auf Hörbuch-Aufnahmen von Montaigne über Shakespeare bis Ringelnatz.

Der in Peine bei Hannover aufgewachsene Otto Sander studierte in München Theaterwissenschaften, Germanistik und Kunstgeschichte. Gleichzeitig nahm er Schauspielunterricht an der Otto-Falckenberg-Schule. Sein Bühnendebüt gab er 1966 an den Düsseldorfer Kammerspielen. 1968 wechselte er an die Freie Volksbühne in Berlin. Dem Fernsehpublikum wurde er unter anderem als Streckenwärter Lansky in der ARD-Krimireihe "Polizeiruf 110" bekannt. Dort stand er auch mehrfach mit Ben Becker vor der Kamera.

Sander, der seit langem an Krebs erkrankt war, zählte von 1970 bis 1979 zum Ensemble der legendären Berliner Schaubühne an und spielte dort vor allem unter der Regie von Peter Stein mit Schauspielern wie Edith Clever, Jutta Lampe und Bruno Ganz. Er arbeitete in 130 Kino- und Fernsehfilmen mit, darunter in Volker Schlöndorffs "Blechtrommel", in Wolfgang Petersens "Das Boot" sowie in den Filmen von Wim Wenders "Der Himmel über Berlin" und "In weiter Ferne, so nah".

Der Künstler war mit der Schauspiel-Kollegin Monika Hansen verheiratet und damit Stiefvater der Schauspieler Ben und Meret Becker. Am Theater arbeitete Sander auch mit Regisseuren wie Robert Wilson und Klaus Michael Grüber zusammen. Zu seinen Stationen gehörten neben Berlin immer wieder auch Wien und Bochum, wo er unter anderem als "Hauptmann von Köpenick" glänzte. 1999 wurde er zum "Schauspieler des Jahres" gewählt, zum zweiten Mal nach 1979.

Sander wirkte an fast allen bedeutenden Bühnen des deutschsprachigen Theaters und spielte in den Jahren 2000 und 2001 den Tod in Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen. Später sollte diese Rolle sein Stiefsohn Ben Becker übernehmen.

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