Gehen die Menschen, die im „Tannhäuser“ sitzen, dann zu Westbam tanzen?
Für uns ist das auch spannend! Ich halte es mit Molière, der sagt: Man bietet etwas an, und jeder, der kommt, ist mir willkommen. Das ist der Vorteil eines so komprimierten Festivals, dass manche vielleicht sagen: Ich schau mir eine Tanzvorstellung an und bleibe bei Westbam da. Das wäre der Sinn. So hat es ja in den 1920ern mit Max Reinhardt auch angefangen!
Der „Tannhäuser“ kostet bis zu 490 Euro pro Karte. In dem Segment gibt es keine Publikumskrise, oder?
Nein. Das hat ja auch immer mit dem Angebot zu tun. Man kann sich relativ leicht vorstellen, dass dieser Tannhäuser schnell ausverkauft war. Im Konzertbereich ist es schon teilweise zögerlicher. Das Publikumsverhalten ändert sich.
Man kauft kurzfristiger Karten?
Genau. Die Abos gehen eher zurück, der kurzfristige Entschluss nimmt zu. Und nach zweieinhalb Jahren sind die Menschen auch erstmal ein bisschen entwöhnt.
Fehlt Ihnen das russische Publikum?
Ich glaube nicht, dass wir so wie in St. Moritz beim Skifahren sehr darunter leiden werden, dass die russischen Menschen jetzt nicht reisen. Das spüren wir nicht.
Könnte man so einen „Tannhäuser“ nicht auch im Sommer in Salzburg zeigen? Gibt es Annäherungen an die Sommer-Festspiele?
Das habe ich mehrfach angeboten, und das wäre auch sinnvoll – denn so wurde es in der Vergangenheit öfters gehandhabt. Bis jetzt hat es dafür allerdings leider kein Interesse gegeben. Im Augenblick suche ich die Koproduktionspartner international. Nächstes Jahr wird es das Royal Opera House Covent Garden sein.
Für „La Gioconda“ mit Anna Netrebko und Jonas Kaufmann. Superstars, aber keine superbekannte Oper.
Nächstes Jahr steht Italien im Zentrum, mit dem Orchester der Accademia di Santa Cecilia als Residenzorchester und Antonio Pappano als zentralem Dirigenten. Wir waren schnell bei „La Gioconda“. Das Werk wird kaum gespielt, war noch nie in Salzburg. Es ist ein sehr krudes Werk, bei dem man sich viel einfallen lassen muss, wie man das auf die Bühne bringt, wenn man es nicht als konventionellen Kostümschinken hinstellen will.
Es ist jetzt das Netrebko-Debüt bei den Osterfestspielen, die Turandot hat sich ja wegen Corona zerschlagen.
Es ist schön, dass wir das jetzt machen können.
Schön, ja, aber wohl nicht unumstritten – Frau Netrebko hatte ja viel schlechte Presse wegen Russland.
Ich habe mich, in welchen Zeiten auch immer, gewehrt gegen die Instrumentalisierung von Kunst und auch von Künstlern. Und zwar in jede Richtung – in die positive sowie in die negative. Das sind Symbolhandlungen. Ich habe große Schwierigkeiten mit dem Moralisieren aus dem gesicherten Westen heraus. Dass man sich gegen einen Aggressionskrieg wendet, ist ja ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Aber die Kunst und die Künstler bis hin zu Tschaikowsky haftbar zu machen für das, was ein wahnsinniger Diktator tut, dafür habe ich kein Verständnis.
Soll aber Teodor Currentzis gerade jetzt das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst bekommen?
Ich mache die Osterfestspiele und habe eine ganz klare Haltung: Selbstverständlich kann eine Künstlerin hier singen. Ich finde es keine Notwendigkeit, dass man in Zeiten wie diesen jetzt gerade hohe Dekorationen verteilt. Aber das müssen die entscheiden, die es tun. Die müssen es letztlich auch verantworten.
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