Ostbahn: "Der Kurti dringt in mythologische Bereiche vor"

Ostbahn: "Der Kurti dringt in mythologische Bereiche vor"
Willi Resetarits über die Kurt-Comebacks, nicht stattfindende Proben, Keith Richards, Bob Dylan, Politik und "Tutti Frutti"

Vorbemerkung: An sich sind Interviews in der Du-Form im KURIER nicht üblich. In diesem Fall wäre das aber einfach unglaubwürdig gewesen: Mit einem Kurtl oder Willi ist man nicht per Sie.

KURIER: Willi, du spielst auch heuer wieder Konzerte als Ostbahn-Kurti, am 23. Und 25. August auf der Kaiserwiese im Prater.

Willi Resetarits: Ja, mittlerweile jährlich. Das kommt daher, dass der Kurti jetzt quasi in mythologische Bereiche vordringt, vergleichbar dem Krampus und dem Osterhasen. Der Krampus ist an einem fixen Tag, dem 5. Dezember, der Osterhase ist ein bewegliches Fest. Und der Kurtl auf der Kaiserwiese ist auch ein bewegliches Fest – allerdings immer in derselben Saison, Ende August.

Der Unterschied ist, dass es den Kurtl fast wirklich gibt.

Da wollen wir nicht so genau sein! 

Einmal im Jahr die alten Sachen spielen: Ist da die Gefahr der Nostalgie gegeben? Oder ist es reizvoll, weil man  wieder diese Nummern hervorholen kann?

Es hat natürlich etwas Nostalgisches – wie auch nicht? Weil wir eine Erinnerungsband sind, in dem Sinn, dass keine neuen Lieder mehr dazukommen, weil der Günter Brödl uns keine neuen Texte mehr liefert. Aber die Band klingt eh immer neu.  Es ist ein wahnsinnig tolles Gefühl, wenn man mit der besten Band spielt. Und ich spiele nur mit besten Bands! Musikalisch ein Hochgefühl!

Gibt es wieder die große Besetzung?

Ja, wir sind doppelt bis dreifach besetzt auf jedem Gerät.  Im Vorfeld treff ma uns bei mir im Garten, ja, da ist es oft sehr lustig. Das ist nur pro forma eine Probe. Aber wir reden schon auch über das Konzert und darüber, was wir ändern könnten.

Wirklich proben braucht ihr nicht mehr?

Ja, wenn wir ein altes Lied virezahn. Oder wenn jemand sagt, diese Version ist schon recht abgespielt, vielleicht kann man das zuspitzen … aber nicht so wie der Bob Dylan, dass man nicht mehr weiß, welches Lied gerade gespielt wird! 

Aber im Unterschied zu Bob Dylan darf man bei dir fotografieren? In Wien wurde er ja bitterböse, weil die Leute fotografiert haben.

Interessant. Was mag der wirkliche Grund dafür gewesen sein? Du sollst dir kein Bildnis von Gott machen!

Es ging wohl eher um den Alterungsprozess, der nicht sichtbar sein soll.

Mir wäre es recht, wenn der Alterungsprozess nicht gut sichtbar ist, aber ich würde nichts dafür unternehmen.

Also weder eine OP noch ein Fotoverbot.

Nein. Nicht einmal so schwarze Dings wie der Keith Richards. Wie heißt das? Kajal!

Die Rolling Stones sind wieder auf Tournee, mit bald 80. Die Kinks machen ein neues Album. Paul McCartney ist auf Tournee. Es hat den Eindruck, als würden die Alten immer noch am besten die Häuser füllen.

Die erste Generation ist die, die meinen Lebensweg geebnet hat. Da war ich vielleicht 15, da ist etwas Neues gekommen, das mich umgehaut hat. Da hab ich Mut gefasst, weil das so mächtig war. Gleichzeitig hat es mich politisiert, weil es mir gezeigt hat, wie „tolerant“ unsere Gesellschaft ist, und dass es in England welche gibt, die denen den Mittelfinger zeigen.

Hat sich die Gesellschaft dadurch geändert?

Nicht in die Richtung, die man erhofft hatte. Der Kommerz hat sich diese Bewegung des Rock gegriffen. Aber dadurch ist auch der Ostbahn-Kurti entstanden, denn der Günter Brödl hat darüber nachgedacht, wie man eine Wienerische Band beschreiben könnte und welche Lieder diese Band singen würde, die dem Teufel widersteht. Widerstehst du dem Teufel Kommerz? Und der Kurtl hat g’sagt: „Ja, von mir aus.“ Ursprünglich haben wir gesagt: Den Kurtl machen wir nicht wegen des Geldes, sondern für die Gesundheit. Die heilende Wirkung der Rockmusik! Und dann haben wir doch nolens volens a Göd verdient.

Jeder weiß, dass Willi Resetarits ein sehr politischer Mensch ist. Aber wie würde sich der Kurtl heute politisch äußern? Welche Texte würde Günter Brödl heute schreiben? Wir leben ja in einer politisch sehr umstrittenen Zeit.

Er hat es damals gemacht, und er würde es heute tun. Der Kurtl ist schon dank der Texte vom Günter Brödl mitten im Leben gestanden. Der Günter hat von sich aus immer sozial gedacht und geschrieben.

Wirst du auf der Bühne etwas sagen zur politischen Situation, es ist ja grad Wahlkampf?

Nicht gezwungener Maßen. Aber man will ja authentisch bleiben, und dann sagt sich plötzlich etwas. Ich beobachte mich selber dabei, wie ich etwas sage, das ich mir nicht vorgenommen habe.

Erreichst du als Kurt andere Leute, als du als Willi erreichst?

Der Kurti hat vielleicht mehr Leute bewegt, über etwas nachzudenken, als die politisch expliziten Schmetterlinge. Die wieder dazu da waren, dass sie die Gleichgesinnten zum Nachdenken bringen.

Es gibt derzeit eine Welle von österreichischen Bands, die sehr erfolgreich sind – Wanda, Bilderbuch, Seiler & Speer... Hast du eine Verbindung zu dieser Musik?

Mir geht es damit so, wie mit jeder Musik weltweit: Wenn es gut ist, ist es gut, und dann hab ich eine Riesenfreude. Ich habe eher Kontakt zu jüngeren Bands, im Alter um die 20. Die sind Weltklasse, klingen sehr international. Von der mittleren Generation, die jetzt sehr bekannt ist, bin ich auch begeistert. Ich bin ein Liebhaber von Liedern! Mein Beruf heißt „slave fort he song“. Deshalb freue ich mich über jedes gute Lied.

Was hast du, abgesehen von den Ostbahn-Konzerten, als nächstes vor?

Ich hab immer so fünf, sechs Bands, mit denen ich spiel’. Ich mag jetzt mehr Gewicht legen auf Konzerte mit Babaritenori, also auf burgenlandkroatische Lieder. Diese Lieder beginnen oft traditionell und nehmen dann Fahrt auf. Sodass sie jetzt nicht nur Dokumentationen fürs Volksliederwerk sind, sondern sich auch durchaus als heutig verstehen. Ja, und der Stubenblues muss dringend wieder etwas auf die Straße bringen, da gilt es, jetzt Neues zu schaffen.

Würde es dich interessieren, wie Bob Dylan alte Sachen aus der Swing- und Schlager-Ära wieder zu entdecken?

Ja selbstverständlich. Ich hab das Album „George Gershwin on a string“ oder Jazz-Standards mit dem Resetarits-Puschnig-Quintett gespielt. Was ich mir nicht vorstellen kann, auf die Bühne zu bringen, sind die Prägungen des Volksschulalters, wo der deutsche Schlager vorkommt. Natürlich war ich auch geprägt vom „Anser“, wo viel Mozart gespielt wurde. Aber am „Zwarer“  – Caterina Valente, Freddy Quinn, bis hin zu Peter Kraus. Da im Park bei uns am Humboldtplatz mit den Batterie-Plattenspielern – da hat man laufend die dicken Batterien wechseln müssen! – da hab ich Little Richard gehört, „Tutti Frutti“ singen. Und danach ist mir das „Tutti Frutti“ vom Peter Kraus schal geworden. Da habe ich dann geahnt, da gibt es etwas, das so wüd is’, dass ich es kaum begreifen kann. Aber da muass i hin!
 

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