Als einen "Höhepunkt meiner Karriere" bezeichnet Hary Prinz seine Rolle als Kurt Raab, einem langjährigen Fassbinder-Vertrauten und Schauspieler in dessen Filmen wie „Warum läuft Herr R. Amok?“ oder „Bolwieser“.
Zur Vorbereitung auf das Casting lernte Prinz eine längere Textpassage des unterwürfigen Bahnhofsvorstehers Bolwieser auswendig und zog sich „ein bisschen so an wie der Kurt Raab“. Beim Vorsprechen wurden dann „ganz verrückte Sachen gemacht, die eigentlich gar nichts mit der Rolle zu tun haben – wie Singen und Tanzen“: „Der Roehler ist ein schräger Vogel, und wir mochten uns“, erzählt Prinz und lacht.
Er bekommt die Rolle des Kurt Raab – und lässt sich von Regisseur Fassbinder, kongenial verkörpert von Oliver Masucci, herumkommandieren und demütigen: „Kurt Raab war ein sehr unterwürfiger Begleiter oder fast schon Diener von Fassbinder, insofern war das Spielen dieser Rolle mental teilweise schon anstrengend, weil man immer der Unterwürfige sein musste“, erinnert sich Prinz: „Das war natürlich sehr intensiv und psychischer Terror.“
Regisseur Oskar Roehler („Die Unberührbare“, „Elementarteilchen“) verehrte den Giganten des Neuen Deutschen Films und Regisseur von so legendären Deutschlandbefunden wie „Die Ehe der Maria Braun“ seit seiner Jugend. Schon im zarten Alter von 14 studierte Roehler, mittlerweile aufgrund seiner offen geäußerten Kritik an der 68er-Generation selbst eine Art „Enfant Terrible“ der deutschen Filmszene, Fassbinder-Filme wie „Händler der vier Jahreszeiten“. Mit 20 reiste er nach Berlin, um sein Idol und dessen Schauspieler-Crew aus der Nähe zu betrachten: „Für mich waren das irgendwie so gefallene Götter, von denen man wusste, dass sie wahnsinnig intensiv leben“, sagt der Filmemacher im Interview: „Sie waren die Stars, und sie haben sich auch selber als solche abgefeiert.“
Roehler rückt seinem ehemaligen Idol nicht in Form eines herkömmlichen Bio-Pics zu Leibe, sondern versucht eine Annäherung durch das Eintauchen in dessen Bilderwelten. Um die melodramatische Artifizialität von Fassbinders Arbeiten zu betonen, drehte Roehler ausschließlich im Studio: „Er ist jemand, der sowohl sehr reale als auch künstliche Welten geschaffen hat. Und ich finde es interessant, im Studio zu drehen. Mit meinen 61 Jahren habe ich gelernt, dass wir uns einfach immer in Kulissen bewegen, die, je nachdem, wie man sich fühlt, schön aussehen und prachtvoll sind. Aber wenn man am Telefon erfährt, dass man Lungenkrebs hat, dann bricht die Kulisse in sich zusammen. Ich habe das fragile Leben von Fassbinder, die hoch komplizierte Psyche und die hohe Sensibilität, die er hat, am besten im Studio darstellen können.“
Hauptdarsteller Oliver Masucci, der sich für die Rolle ein paar Kilos hinauffuttern musste („Er hat in der Früh immer zwei Weizenbiere getrunken, damit sich der Bauch so richtig aufbläht“, kichert Hary Prinz), spielt Fassbinder als entfesselte Mischung aus Brutalität und Zärtlichkeit. Mit viel Gebrüll und Wampe tyrannisiert er seine Schauspieler, verschleißt Liebhaber und kokst sich die Nasenflügel blutig.
Zwei seiner verlassenen Partner begehen Selbstmord: „Was der Film hoffentlich erzählt, ist, dass Fassbinder an der Schuldhaftigkeit zerbricht“, sinniert Roehler: „An der Schuld, die er durch die Liebesgeschichten mit anderen Männern auf sich geladen hat.“
Den Vorwurf, Rainer Werner Fassbinder vor allem monströs darzustellen, lässt Oskar Roehler nicht gelten: „Ich finde, dass er in jeder Hinsicht aus dem Vollen geschöpft hat, und das würde ich ihm nicht zum Nachteil auslegen. Dass er jetzt kein Menschenfreund war – warum soll ein Künstler ein Menschenfreund sein? Ein Politiker sollte ein Menschenfreund sein, weil er Entscheidungen treffen muss, die für die Allgemeinheit human sein sollten. Aber das trifft auf den Künstler nicht zu. Deswegen sage ich immer: Wenn du ein schlechter Mensch bist, dann werde Künstler.“
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