Analyse: Männer, die sich bei ihren Frauen bedanken

Julianne Moore mit "Stille Alice"-Regisseur Bart Freundlich.
Erstarkter Indie-Filmgeist und geschwächte Frauen-Rollen - das waren die Oscars 2015.

Der große Sieger des Abends heißt – wie erwartet – „Birdman“. Die vier Oscars in den Hauptkategorien sprechen für sich und bezeugen die Faszination der Academy für Alejandro Gonzalez Inarritus Superhelden-Tragikomödie. Ein Film über das Film- und Theaterbusiness gefällt den Menschen, die im Film- und Theaterbusiness beschäftigt sind – und Hollywoods Hollywood-Zentrismus ist ohnehin legendär. Umso erstaunlicher, dass Michael Keaton nicht den Preis für Besten Hauptdarsteller zugesprochen bekam – damit war fast fix zu rechnen gewesen. Doch offensichtlich ist die amerikanische Ehrfurcht vor einem britischen Prestige-Film wie "The Imitation Game" und seinem exzellentem Darsteller Eddie Redmayne doch größer als weitere Nabelschau eines Hollywood-Stars. Der junge Brite brillierte zwar als Mathematikgenie Stephen Hawking, und dennoch ist es in diesem Fall eigentlich schade: Keaton hätte sich den Preis mehr als verdient.

Auch der vielbeschworene „Indie-Filmgeist“, der durch die Preisverleihung schwebte, manifestierte sich in der Anerkennung einer vergleichsweise Kleinst-Produktion wie Damien Chazelles „Whiplash“: das 3, 3 Millionen-Dollar-Filmchen (wie man fast schon sagen muss), erhielt immerhin gezählte drei Oscars, darunter den für den Besten Nebendarsteller, J. K. Simmons.

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Dass Richard Linklaters „Boyhood“ - ein weiterer Garant für das "Indie-Feeling" des Abends - nur auf einen Oscar für die Beste Nebendarstellerin (völlig verdient: Patricia Arquette) kam, ist traurig. Ein Oscar für Beste Regie wäre für seine Leistung, eine "Film-Familie" über zwölf Jahre lang zu begleiten, mehr als verdient gewesen. Dafür wurde Wes Andersons schräges Autorenkino „Grand Budapest Hotel“ mit immerhin vier Oscars belohnt.

Schon im Vorfeld war die diesjährige Oscar-Verleihung massiv für ihren „Whitewash“ sprich: den Mangel an der Nominierung schwarzer Künstler kritisiert worden. Als wollten sie sich dagegen wehren, versammelten die Oscar-Veranstalter viele schwarze Entertainer auf der Bühne – am meisten bei der Performance des Oscar-Songs „Glory“ aus dem Film „Selma“. Der innige Gesang veranlasste den für keinen Oscar nominierten Schauspieler David Oyelowo aus „Selma“ in Schluchzen auszubrechen.

Aber auch Frauen tummelten sich wenig unter den Gewinnern auf der Bühne. Bezeichnend, dass die besten Frauen nicht in den besten Filmen zu sehen waren (abgesehen von Patricia Arquettes Nominierung für "Boyhood"). So verdankte "Still Alice" seine einzige Oscar-Nominierung der wunderbaren Julianne Moore, die für ihre Rolle als Alzheimer kranke Universitätsprofessorin auch als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde.

Ansonsten fiel den Frauen zumeist die Aufgabe zu, ihre Männer zu küssen und zu umarmen, bevor diese das Podium erklommen und zur Dankesrede für den Oscar ansetzten („Ich danke meiner Frau für ihre Geduld…“)

Da war Patricia Arquettes Dankesrede, die mehr Gleichheit für Frauen forderte, eine mehr als notwendige Ansage.

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