Zwei Tragikomödien als Favoriten bei der großen Oscar-Schlacht
Es gibt viele Favoriten, aber keinen "Über-Film" – darauf haben sich viele Beobachter der 87. Oscar-Verleihung geeinigt. Aber haben sie recht?
Tatsächlich verbreitet die Verleihung des wichtigsten Preises der Filmbranche heuer ein wenig das Feeling eines Independent-Filmfestivals. Denn in der Auswahl an besten Filmen rangieren – abgesehen von Clint Eastwoods (Anti-)Kriegsfilm "American Sniper" – kaum Mainstream-Knaller. Vielmehr dominiert exquisites, Arthouse-affines Kino. Das ist eine gute Nachricht, denn es belohnt experimentierfreudiges Filmemachen.
So wurde Wes Andersons superbe, exzentrische Tragikomödie "Grand Budapest Hotel", die über den Untergang der Donaumonarchie erzählt, gleich neunmal nominiert. Und das, obwohl sie so gar nicht jenen bedeutungsschwangeren Geschichtsschinken ähnelt, die sonst so gerne von der Academy favorisiert werden. In der Kategorie Bester Film wird Anderson aber wahrscheinlich nicht gewinnen; da spitzt sich das Match der Finalisten wohl zwischen "Birdman" – ebenfalls neunmal nominiert – und "Boyhood" zu. Und endet voraussichtlich zugunsten von "Birdman": Die Superhelden-Komödie vom mexikanischen Regie-Star Alejandro González Iñárritu könnte mit seiner Sensibilität für das harte Los von (Hollywood-)Schauspielern auf sehr viel Sympathie bei den Mitgliedern der Academy stoßen. Viele von ihnen können sich womöglich mit der Selbstquälerei von Keaton als Ex-Filmstar identifizieren.
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ORF eins überträgt die Verleihung in der Oscar-Nacht (22./23. Februar) ab 1.30 Uhr live - KURIER.at wird für Sie live mittickern.
Der große Konkurrent zu "Birdman" ist Richard Linklaters exzellenter Familienfilm "Boyhood", seit seiner Premiere in Berlin letzten Jahres einhellig als einer der besten Werke des Jahres in aller Munde. Hier ist allerdings zu befürchten, dass dieser frühe Hype sich bis zur Preisvergabe ein wenig erschöpft hat.
Oscar-Leid
Ansonsten tummeln sich in der Kategorie Bester Film unter anderem noch zwei brave Brit-Dramen: "Die Entdeckung der Unendlichkeit" mit Eddie Redmayne als genialem Physiker Stephen Hawking im Rollstuhl; und "The Imitation Game", mit "Sherlock"-Star Benedict Cumberbatch als für seine Homosexualität in den Tod getriebener Computer-Erfinder Alan Turing.
Wer den Oscar will, muss leiden, heißt es gerne, wenn es darum geht, den Favoriten für bestes Schauspiel zu prognostizieren. Wer physische und/oder psychische Herausforderungen überzeugend spielt, hat gute Chancen. Diese Milchmädchen-Rechnung hat sich in der jüngeren Oscar-Geschichte bewährt: Matthew McConaughey fastete sich als HIV-Infizierter in "Dallas Buyers Club" zum Gerippe – und gewann den Oscar. So gesehen würden sich heuer Cumberbatch und Redmayne für den Preis anbieten; wenn nicht letztlich doch Michael Keaton – einst "Batman", jetzt "Birdman" – das Goldmännchen an sich reißt.
Bei den Frauen setzt sich wahrscheinlich die weitgehend respektierte Julianne Moore als beste Schauspielerin durch – als Alzheimerkranke in "Still Alice".
Und was bringt der Oscar den Gewinnern? Sind es nicht letztlich die Einspielquoten, die in Hollywood zählen? Ja und nein.
Eine Oscar-Nominierung oder gar ein Gewinn steigert Einspielergebnisse; schafft grünes Licht für Projekte; nimmt Einfluss darauf, welche Talente engagiert werden.
Apropos Talent: Auch der neue Oscar-Moderator Neil Patrick Harris muss sich einer harten Konkurrenz stellen. Die lustige Ellen DeGeneres hat im Vorjahr mit ihrer Pizza-Bestellung und dem Selfie-Schmäh die Latte besonders hoch gelegt.
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