"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"

Als bester Hauptdarsteller bei den Golden Globes nominiert: Der Brite Chiwetel Ejiofor (Mitte) spielt supberb einen freien Bürger, der von zwei Weißen in eine Falle gelockt und in die Sklaverei verschleppt wird
Steve McQueens intensives Sklavendrama ist großer Favorit bei den Golden Globes. Der Regisseur im Interview.

Womöglich ist der Brite Steve McQueen jener schwarze Spielfilmregisseur, der als Erster in der Geschichte einen Oscar gewinnen wird. Die Chancen stehen gut. Für die Verleihung der Golden Globes, die Sonntagabend in Los Angeles stattfindet und von vielen als Vorschau auf die Oscars gewertet wird, liegt er bestens im Rennen. Hollywoods Auslandspresse nominierte McQueens intensives Sklavendrama „12 Years A Slave“ (Kinostart: 17.1.) für sieben Golden Globes.

Der 44-jährige McQueen kommt aus der bildenden Kunst, gewann 1999 den Turner-Preis und war Documenta-Teilnehmer. Mit dem IRA-Drama „Hunger“ und dem Sexsucht-Dilemma „Shame“ – beide Filme mit dem unvergleichlichen Michael Fassbender – profilierte er sich als Spielfilmegisseur. „12 Years A Slave“ ist sein erster amerikanischer Film. Prominente Hilfe erhielt er dafür von Brad Pitt, der als Produzent auftritt und auch eine kleine Filmrolle übernahm.

Überblick: Sklaverei in Kino und TV

"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"

Film von Steve McQueen: 12 Years a Slave…
"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"

Film von Steve McQueen: 12 Years a Slave…
"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"

Django Unchained
"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"

Django Unchained
"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"

Amistad
"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"

Verleih
"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"

cinema.de

Skandal

In Italien verursachte das bereits einen Rassismus-verdächtigen Skandal: Auf dem Werbeplakat sah man riesig das Konterfei von Pitt und nur winzig das Bild des schwarzen Briten Chiwetel Ejiofor. Und das, obwohl Ejiofor die Hauptrolle des Solomon Northup spielt und eine superbe schauspielerische Tour de Force abliefert.

Der KURIER sprach mit Steven McQueen kurz vor der Golden Globe Preisverleihung.

KURIER: Wie wichtig sind Preise wie der Golden Globe?

"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"
TWELVE YEARS A SLAVE
Steve McQueen:Als ich diesen Film drehte, war ein Preis natürlich das Letzte, was ich im Kopf hatte. Aber jetzt versetzen mir die Globe-Nominierungen gerade einen ordentlichen Kick.

Sie erzählen die ungewöhnliche, aber wahre Geschichte von Solomon Northup, der in New York als freier Bürger lebt, 1841 gekidnappt und als Sklave in die Südstaaten verkauft wird.

Diese Situation ist viel weniger ungewöhnlich, als man glauben könnte. Das Ungewöhnliche ist vielmehr, dass kaum jemand in der breiteren Öffentlichkeit davon weiß. Für mich ist dies nur ein weiterer Aspekt der Geschichte der Sklaverei.

Hat Hollywood viel Aufholbedarf, was Sklaverei betrifft?

Das kann man so sagen. Gleichzeitig kann ich es nachvollziehen, weil es so schmerzhaft ist. Aber nun hat Hollywood anscheinend verstanden, dass man damit Geld verdienen und Leute ins Kino holen kann.

So wie mit„Django Unchained“ und „The Butler“ ...

Es war ziemlich seltsam: Als ich meinen Film in New Orleans zu drehen begann, lief ich Quentin Tarantino in die Arme, der gerade „Django Unchained“ beendet hatte. Er sagte zu mir: „Ich hoffe, es kann mehr als nur einen Film über Sklaverei geben“, und ich meinte: „Na klar.“

Es gibt ja auch mehr als nur einen Gangsterfilm oder einen Western.

Als Sie die Hauptrolle des Solomon besetzten, wonach haben Sie da Ausschau gehalten?

Nach jemandem, der in all den entsetzlichen Umständen trotzdem noch überzeugend Würde und Menschlichkeiten spielen konnte. Das war Chiwetel Ejiofor – er hat diese angeborene Eleganz.

Sie zeigen sehr unterschiedliche Sklavenhalter: Benedict Cumberbatch spielt einen, der sich um Menschlichkeit bemüht, Michael Fassbender verkörpert einen Sadisten und Vergewaltiger.

"12 Years A Slave": "Wie ein Tanz mit Geistern"
Michael Fassbender
Für mich ist der nette Cumberbatch der Schlimmste. Er könnte Solomon helfen und unternimmt trotzdem nichts. Fassbender hingegen ist in seine Sklavin verliebt und versucht, seine Liebe zu ihr zu zerstören, indem er sie zerstört. Das ist pervers, aber irgendwie auch menschlich. Man kann sich eben die Liebe nicht aussuchen. Die Liebe sucht uns aus.

Es gibt eine unglaubliche Szene, in der Solomon aufgehängt wird und nur noch mit Zehenspitzen den Boden berührt. Dahinter verrichten die anderen Sklaven ihre Alltagsarbeiten.

Ich war 2001 in Südafrika und drehte ein Kunstvideo in den Goldminen bei Johannesburg („Deep West“, für die Documenta, Anm.). Die Leute dort haben sich sehr vor den Vorgesetzen gefürchtet. Während ich filmte, sah mich niemand an oder sprach mit mir – als wäre ich unsichtbar. Da bekam ich ein Gefühl dafür, wie es wohl unter dem Apartheid-Regime ausgesehen hat.

Und dann gibt es diesen Film von Chantal Akerman, „To the East“: sie filmt die Menschen an einer Busschlange – und keiner sieht sie an. So etwas finde ich interessant. Bei den Sklaven war es wohl so, dass sie immer mit dem Schlimmsten rechnen mussten – und daher haben sie versucht, im Horror die Normalität beizubehalten.

Sie haben in Louisiana gedreht. War das schwierig?

Es war ein Wahnsinn – unglaublich heiß, bis zu 48 Grad. Wenn man in Amsterdam sitzt und ein Drehbuch schreibt, kann man sich den Eindruck der Umgebung gar nicht vorstellen. Und ich war noch nie in Louisiana. Aber wenn man dann an den Orten ist, wo sich diese Ereignisse abgespielt haben – das eröffnet einem als Künstler eine neue Dimension. Es war wie ein Tanz mit Geistern. Sowohl die Schauspieler, als auch das Team hat darauf reagiert. Die Bäume haben Augen, die Plantagen gibt es auch noch ... wie verwunschen. Die Schönheit der Landschaft ist unglaublich. Die fürchterlichsten Dinge finden oft an den schönsten Orten statt.

Sie zeigen Gewalt sehr grafisch. Haben Sie je überlegt, ob das publikumskompatibel ist?

Nie. Entweder mache ich einen Film über Sklaverei oder nicht. Und ich habe mich dafür entschieden. Dazu muss man sowohl den körperlichen wie auch den physischen Terror zeigen, der in der Sklaverei ausgeübt wird.

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