Warnung
„Ich denke, dass Oppenheimers Geschichte als Warnung dient“, sagt Nolan im Gespräch, „aber ich denke, dass es in erster Linie eine sehr dramatische Geschichte ist, und deshalb hatte ich das Gefühl, dass sie sich für einen Film eignen würde.“
Nolan wollte dabei nicht zu belehrend wirken. „Ich denke, wir alle sperren uns von Natur aus dagegen. Für ein dramatisches Kinoerlebnis möchte ich das Publikum in die Lage von Charakteren versetzen, die sehr schwierige Situationen durchmachen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.“
Beunruhigend
„Von allen Geschichten, die mir je begegnet sind, ist Oppenheimers Geschichte diejenige, die die beunruhigendsten Fragen aufwirft“, sagt Nolan. „Einige sind unmöglich zu beantworten. Er hat die Welt völlig verändert, und sie wird sich nie wieder zurück verändern. Das verleiht seiner Geschichte enorme Resonanz und echte Kraft.“
Der dreistündige Film zeigt auch die Vorgeschichte Oppenheimers, seine Kontakte zur linken Uni-Szene – vor allem mit der Kommunistin Jean Tatlock (Florence Pugh), in die er sich Hals über Kopf verliebte. Cillian Murphy, der Oppenheimer verkörpert, sagt: „Er tanzte zwischen den Regentropfen, moralisch und emotional. Auf dieses Zitat von Christopher haben wir beim Dreh oft zurückgegriffen. In seinen frühen Jahren ist viel passiert. Ich glaube, es gab in seinem ganzen Leben eine gewisse Instabilität. Letztendlich glaube ich, dass er ein guter Mann war.“
Auch Oppenheimers Spenden fürs sozialistische Lager im Spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) nährten den Argwohn der US-Regierungsbehörden. In der McCarthy-Ära, nach Ende des Zweiten Weltkrieges, sank Oppenheimers Stern rasch. Auch dieser Phase und dem Konflikt mit seinem einstigen Förderer Lewis Strauss (Robert Downey Jr.) gibt Nolan viel Raum.
Ein Restrisiko
Die Dramatik des Films, in dem Oppenheimer auf Wissenschafter wie Einstein (Tom Conti), Bohr (Kenneth Branagh) und Heisenberg (Matthias Schweighöfer) trifft, beruht im Kern auf einem Restrisiko, das zu jener Zeit bestand. Emily Blunt, die Oppenheimers Ehefrau Kitty spielt, sagt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass sie beim Trinity-Test die gesamte Atmosphäre entzünden und die Menschheit auslöschen könnten, wurde zwar mit nahezu null berechnet, aber eben nicht mit null. Die Vorstellung, dass der rote Knopf gedrückt wurde, welchen Fortschritt das für die Beteiligten bedeutete, was man aber auch verlieren hätte können, war für mich wirklich schockierend.“
„Ich bin mir sicher, dass große Angst da war“, sagt Robert Downey Jr., „aber es gab auch die Möglichkeit, die Technologie zu nutzen, um zu versuchen, die faschistische Übernahme der Zivilisation zu stoppen. Das waren edle Motive. Und dann ist da noch das Menschliche im Spiel, wir alle sind gebrochen. Ich denke, dass Oppenheimer sein Charisma und seinen Narzissmus als Maske benutzte, um sich vor der schrecklichen Verantwortung zu schützen, die er trug.“
Die Auswirkungen
Die konkreten Auswirkungen – die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki mit weit mehr als 100.000 Toten – zeigt Nolan nur indirekt. „Ich vertraue darauf, dass die Kraft der Geschichte zum Ausdruck kommt, wenn man die Dinge aus der Sicht Oppenheimers erlebt“, sagt Nolan. Dieser habe, wie der Rest der Welt, vom Einsatz der Atombombe aus dem Radio erfahren, berichtet er. „Das schien mir ein bemerkenswerter Wendepunkt für jemanden, der so im Mittelpunkt dieses Projekts stand. Ich versuche, diesen Ereignissen, die zu groß und zu schrecklich sind, um sie zu begreifen, so einen menschlichen Bezug zu verleihen und vertraue darauf, dass sich das ganze Ausmaß auf hoffentlich unerwartete Weise offenbart.“
Matt Damon spielt den militärischen Leiter des Atombombenprojekts in Los Alamos, Leslie Groves. Er zieht den Faden bis in unsere – erneut beunruhigende – Gegenwart: „Diese Technologien stellen uns vor große Fragen über unsere Spezies. Es verheißt nichts Gutes, wenn wir über Technologien verfügen, die uns ausradieren können. Wir sind nicht dafür gerüstet, damit umzugehen.“
➤Mehr dazu lesen: Twitter-Streit um "Barbie" versus "Oppenheimer": Matt Damon hat die Lösung
Kommentare