Opernsängerin Kushpler: "Frauen spielen und dirigieren teils härter" als Männer

Seit 1975 ist der 8. März Frauen gewidmet. Die Frage, ob man darüber froh sein sollte, dass es diesen internationalen Weltfrauentag gibt, oder ob man nicht eher besorgt darüber sein sollte, dass man so einen Tag heute überhaupt noch braucht, stellt sich für die Opernsängerin Zoryana Kushpler nicht.
„Dieser Weltfrauentag ist doch ein Tag, an dem wir gezielt an Frauen und Frauenrechte denken. Aber natürlich sind wir heute schon viel weiter als unsere Urgroßmütter. Auch dieser Tag hat dazu beigetragen, dass wir mehr erreichen. Solche Tage bringen uns ans Ziel“, stellt sie im Gespräch mit dem KURIER klar.
Derzeit ist man von Gleichstellung in der Musik aber noch weit entfernt. Die Recherchen der Musikwissenschafterin und Leiterin des Projekts „Musica femina“ Irene Suchy sind alarmierend. In der Musik der Gegenwart liegt der Anteil der von Frauen komponierten Werke bei 10 Prozent. „In den großen Abonnement-Zyklen der großen Orchester ist der Anteil noch immer minimal, was die Werke angeht, aber auch die Dauer der Werke, die gespielt werden“, konstatiert Suchy.
Starkes Signal
Ein starkes Signal setzen nun Michael Lessky und sein Orchester Junge Philharmonie mit dem Konzert zum Weltfrauentag in Grafenegg (8. 3., um 19.30 Uhr). Gespielt werden ausschließlich Werke von Komponistinnen aus verschiedenen Epochen, Clara Schumann, Louise Farrenc, Judit Varga und Lieder von Alma Mahler.
Komponistinnen
Die Talente der Jungen Philharmonie Wien präsentieren am Freitag (19.30 Uhr) Werke von Clara Schumann, Alma Mahler, Louise Farrenc und Judit Varga im Auditorium in Grafenegg. Am Klavier: Nareh Arghamanyan, Zoryana Kushpler (Mezzosopran). Michael Lessky dirigiert
Das Orchester
Die Junge Philharmonie Wien versammelt österreichische Nachwuchsmusikerinnen und -musiker im Alter von 17 bis 27 Jahren. Das Orchester wurde 1997 von Michael Lessky und Orchestermusikern österreichischer Berufsorchester zur Förderung des Orchesternachwuchses gegründet
Karten und Info
Konzertinfo und mehr Details zum Orchester unter www.jungephilharmonie.at, Tickets unter grafenegg.com
"Frauen mussten sich damals dafür entschuldigen, was sie tun"
Letztgenannte interpretiert Zoryana Kushpler. „Eine tolle Frau! Sie lebte nach dem Motto: Es ist nicht schlimm zu fallen. Es ist schlimm, nicht wieder aufzustehen. Das ist auch mein Lebensmotto. Was Alma Mahler alles durchgemacht hat. Sie stand mehrere Male vor dem Nichts. Sie stand immer wieder auf. Sie hat herrliche Musik geschrieben. Aber ich bin mir sicher, dass sie zu ihrer Zeit dafür belächelt wurde. Das gilt auch für Fanny Mendelssohn und Clara Schumann. Frauen mussten sich damals dafür entschuldigen, was sie tun“, beschreibt Kushpler.
Kushpler habe immer mit Komponistinnen persönlich gearbeitet, betont sie, und nennt Sofia Gubaidulina, Hanna Havrylets, Bohdana Froljak. Lera Auerbachs Oper „Gogol“ und Olga Neuwirths „Orlando“ will Kusphler in einem Gespräch über Komponistinnen nicht unerwähnt lassen. Und ihre Erfahrung mit Dirigentinnen?
„Ich habe schon öfter mit Dirigentinnen gearbeitet. Das war oft härter als mit Männern“, stellt Kushpler fest und erklärt, warum das so ist: „Wir glauben, dass wir mit den Männern konkurrieren müssen. Das sitzt in unserem Kopf. Wir glauben immer, wir müssten uns beweisen. Wir müssen uns den Weg in der Welt erkämpfen.“ So käme es, dass Männer oft sogar weicher seien als Frauen.
Als Sängerin darf sie ihre Weiblichkeit behalten
Das gelte mitunter auch für Instrumentalistinnen. „Frauen spielen und dirigieren teilweise härter. Sie singen weich, aber wenn Sie Pianistinnen, Geigerinnen, Cellistinnen ansehen, sind die meisten in ihrem Zugang sehr männlich. Fast aggressiv. Das Gleiche gilt auch für Dirigentinnen. Die Bewegungen sind oft ziemlich scharf. Meine persönliche Beobachtung ist, dass diese Frauen dabei oft ihre Weiblichkeit verlieren. Das ist schade. Ich finde, dass eine Frau in jedem Beruf eine Frau bleiben muss. Als Sängerin darf sie ihre Weiblichkeit behalten“, führt Kushpler aus.
„Wenn sie geheiratet haben, war ihre Karriere vorbei"
Sie erinnert an die großen Karrieren der Diven aus der Vergangenheit. Diese endeten oft am Standesamt oder in der Kirche: „Wenn sie geheiratet haben, war ihre Karriere vorbei. Unverheiratete Frauen durften immer viel mehr machen als verheiratete. Das war überall so. Solomia Kruschelnytska, eine berühmte ukrainische Opernsängerin, hat in Italien und weltweit Karriere gemacht hat.
Sie war die erste Madame Butterfly von Puccini und die erste Salome und Elektra an der Mailänder Scala. Sie war eine große Diva. Als sie mit 38 den Bürgermeister von Viareggio geheiratet hat, durfte sie ihren Beruf nicht mehr ausüben, weil eine verheiratete Frau nicht als Opernsängerin auf die Bühne gehen durfte. "Furchtbar“, gibt Kusphler Beispiele aus der Vergangenheit.
Ungerechtigkeiten
„Gleichberechtigung ist doch noch immer nicht überall hergestellt“, setzt Kushpler fort. Dennoch sei sie optimistisch und betont: „Ich gehöre zu jenen, die sagen, das Glas ist halb voll.“ Ihre Haltung illustriert sie mit Beispielen, die jede Frau betreffen können. „Früher hatten Frauen in der Ehe so viel weniger Rechte.“ Und „wir dürfen auch in einer Partnerschaft leben, ohne dass man deswegen in Verruf gerät.
Frauen dürfen Frauen heiraten und Kinder adoptieren. Diese Liste könnte man noch lang fortsetzen, mit Dingen, die wir auch noch vor 25 Jahren nicht durften. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass in den 1970er-Jahren Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen mussten, wenn sie einem Beruf nachgehen wollten.“
Und „Frauen konnten nicht Schriftstellerin, Komponistin oder Künstlerin werden“ – oder mussten männliche Pseudonyme verwenden. „Heute wundern wir uns darüber, dass es so etwas überhaupt gegeben hat. Das ist für mich ein Zeichen, dass wir gut vorankommen.“
Verbesserungsbedarf indes gebe es beim Lohn. „Es kommt noch immer vor, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer.“
Dass sie als Professorin für Sologesang an der Salzburger Universität Mozarteum derzeit ausschließlich Studentinnen unterrichte, sei Zufall, „Ich habe im Moment acht Walküren in meinem Unterrichtszimmer. Aber ich werde auch Männer in meine Gesangsklasse aufnehmen. Ich halte nichts von einem Mädchenpensionat. Es muss schon gemischt sein.“
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