Oh, yeah: Dieter Meier vom Elektropopduo Yello im Interview

Yello, doppelt
Die Schweizer Popkünstler veröffentlichen ein neues Album. Dieter Meier über Spiel, Sucht und Business.

"Wir müssen auftreten, so lange wir noch jung sind!" Unter diesem Motto gibt das schweizer Elektronik-Duo Yello Ende Oktober in Berlin vier Konzerte – die ersten nach 38 Jahren Bandgeschichte. Eine Tour zu dem neuen Album "Toy" inklusive Wien-Konzert folgt nächstes Jahr. Im KURIER-Interview spricht Frontmann Dieter Meier über Spielfreude, Spielsucht und die erotische Seite der Schreibmaschine.

KURIER: Kommt der Titel "Toy" daher, dass das neue Album verspielter klingt als das vorige?

Dieter Meier: Ja, auch. Andererseits war dieser Titel für ein Yello-Album lange überfällig. Denn unser Spielzeug ist – und war schon immer – das Tonstudio. Ich bin ja nur der Sänger, mache Texte, Melodien und die Videos. Die Sounds macht Boris. Er nimmt dafür einen Klang – sei es, dass er mit einem Holzstengl auf einen großen Ballon haut oder Schneebälle gegen die Wand wirft. Den verändert er dann und lässt sich dabei verspielt treiben, dass man nie weiß, was rauskommt. Wenn man das mit einem Maler vergleicht, könnte man sagen: Am Anfang hat man das Gefühl, es entsteht eine Rose, und am Ende steht ein Kamel vor uns.

Sie schreiben die Texte auf einer Schreibmaschine. Warum nicht auf einem Laptop?

Ich verwende aus Prinzip keine Laptops. Da würde ich weiß der Teufel wie viele eMails bekommen und immer in der Bringschuld sein. Ein Handy-Telefon ist meine einzige Technologie, alles andere erledige ich mit Handschrift oder mit der Schreibmaschine. Denn die hat auch eine tiefere Bedeutung: Als ich ein junger Artist war, gab sie mir das Gefühl, doch noch irgendetwas zustande zu bringen. Dieses wunderbare Hämmerchen, das den Buchstaben auf das Papier warf und zurückließ, war für mich fast ein erotisches Erlebnis. Und die Klangwolken von Boris sind für mich wie Musik zu einem Film – dessen Figuren und Szenen in meinem Kopf auftauchen, wenn ich an dieser Schreibmaschine sitze und sie mir anhöre.

Sie sagten, Sie hatten das Gefühl, "doch noch irgendetwas zustande zu bringen". Woher kamen diese Selbstzweifel?

Meine schwierige Zeit als großer Zweifler war zwischen 18 und 23 Jahren. Da bin ich auf der Suche nach Sinn in die Tiefen des professionellen Pokerspiels gefallen: Du kriegst alle paar Minuten ein neues Blatt, Möglichkeiten, die dir das Schicksal zuwirft, über die du bestimmen kannst. Das hat mich süchtig gemacht. Aber es ist eigentlich eine Weltflucht, denn hinter dem Poker-Tisch gibt es keine andere Welt mehr. Und das ist mit Schuldgefühlen verbunden. In dieser Zeit habe ich mich als Taugenichts gesehen.

Und das Schreiben hat Sie aus dieser Sucht geholt?

Nein. Ich hatte das Glück, in einem Café einen jungen Mann zu treffen, der Logenschließer in der Tonhalle Zürich war. Der hat mir angeboten, zu jedem Konzert – auch wenn es total ausverkauft ist – einen Stuhl reinzustellen. Ich bin dann eine ganze Saison lang jeden Abend in die Tonhalle gepilgert und habe all diese wunderbaren klassischen Konzerte gehört.

Das konnte die Sucht kurieren?

Die Konzerte waren genau in der Zeit, in der die Poker-Partien zusammenkamen. Und danach kamen auch bald die ersten Concept-Art-Arbeiten, mit denen ich auch gleich Erfolg hatte. Ich war ’72 bei der Documenta und hatte schnell Einzelausstellungen. Von meinem Onkel bekam ich eine 15-Millimeter-Kamera und drehte damit Experimentalfilme. Die wollte ich vertonen und so ist Yello entstanden.

Einmal haben Sie in New York Passanten das "Ja" oder das "Nein" abgekauft. Woher kamen solche Ideen?

Schwer zu sagen. Aber generell kreisen alle meine Konzept-Arbeiten um die Frage nach dem Sinn, nach der Zeit und dem kurzen Aufenthalt, den wir in der Erscheinungsform des Homo sapiens auf diesem Planeten haben. "Ja" und "Nein" sind die wichtigsten Wörter des Menschen. Wenn man die aus dem zweckmäßigen Kontext herausnimmt und sagt, du bekommst auf jeden Fall einen Dollar, egal, ob du "Ja" oder "Nein" sagst, ist das eine Relativierung dieser starken Wörter in das Nichts hinein.

Bei einer anderen Aktion haben Sie in Zürich Metallplättchen gezählt, ohne etwas bewirken zu wollen. Wollen Sie auch mit der Musik nichts bewirken?

Ich habe Musik gemacht, um etwas über mich zu lernen und mich dem Klang-Herstellen auszuliefern. Das ist zu vergleichen mit einem Kind im Sandhaufen, das dilettantisch zu bauen beginnt und sich freut, dass irgendwann ein Häuschen steht. Was mit den Häuschen passiert, ist sekundär. Dieser Ansatz zieht sich durch alles, was ich mache. Wobei die Aktion mit den Metallplättchen, die sich mit dem Unbedeutenden beschäftig hat, schon eine Wirkung hatte. Denn das war ja eine Provokation: Ein Typ, der eine Woche lang mit hoher Konzentration Metallstücke in Tüten abzählt – und keiner weiß, warum.

Sie haben auch eine Zeit lang in Wien gelebt ...

Zwischen 1965 und 66 war ich ein halbes Jahr dort – als junger Jurastudent. Aber ich habe mehr Zeit im Café Prückel verbracht. Dann bin ich zurück nach Zürich und in das Pokern versunken.

Sie sind erfolgreicher Unternehmer. Müssen Sie in diesem Bereich anders denken als als Künstler?

Nicht so, wie ich Unternehmer bin. Das gleicht durchaus einem Artisten: Ungeformte Ideen finden, denen man eine Form gibt und einen Markt dafür findet. Und ich mache das ja nur mit Leuten, die geeignet sind, sich um die tagtägliche Ausführung zu kümmern, für die ich völlig ungeeignet bin. Einen strukturierten Tag zu haben, um 8 Uhr aufzustehen und dann ein Programm abzuspulen, ist für mich etwas Unmögliches. Ich liebe es, durch die Tage zu treiben und die Dinge entstehen zu lassen. Ich bin weder als Artist noch als Unternehmer zielgerichtet. Vieles entsteht durch Zufall. Es passiert mir, und dann bin ich da drin.

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