Obama hat wahrscheinlich keine Zeit

Obama hat wahrscheinlich keine Zeit
"Austria who?" Hanno Settele, USA-Korrespondent des ORF, sagt, wie schwer es österreichische Medien in Washington haben

Die nächsten Präsidentschaftswahlen am 6. November macht er noch, dann ist USA-Korrespondent Hanno Settele wieder in Wien. Dem KURIER erzählte er, warum er Barack Obama wahrscheinlich nie interviewen wird.

KURIER: Was war das Schlimmste, das Sie jemals von einem Pressesprecher gehört haben?
Hanno Settele: "Austria who?" Österreich wird in den USA in einer Reihe mit Aruba und Aserbaidschan wahrgenommen. Wir werden als das gesehen, was wir im weltweiten Konzert sind. Ein Land mit acht Millionen Einwohnern. Wir sind ein neutrales Land, nicht bei der NATO – wir sind also aus US-amerikanischer Sicht von politisch bescheidenem Interesse.

Bekommen Sie wichtige Interviews überhaupt?
Schwer. Schwerer als früher. Vor zehn Jahren, als ich drüben angefangen habe, war die Rangordnung eine andere. Da kamen zuerst die großen Networks, CBS, ABC, Fox, NBC und Kabelkanäle wie CNN. Dann kamen große Zeitungen, auch europäische, und TV-Stationen. Da konnten wir gut mitschwimmen. Mittlerweile gibt es Internet-Medien, die für Politiker viel wichtiger sind, weil sie im eigenen Land rezipiert werden. Und das Zeitbudget eines Politikers ist eben beschränkt.

Meine Eingangsfrage bezog sich auf Hillary Clintons Sprecher Philippe Reines, der einem insistierendem Reporter gegenüber ausgeflippt ist: "Have a good day. And by good day I mean Fuck off." Das ist ja doch sehr unüblich...
Ja, das kommt nicht so oft vor... Aber auch sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwer es mittlerweile ist, Interviews zu bekommen. Ein Journalist einer sehr renommierten deutschen Tageszeitung hat monatelang über sie berichtet, wollte unbedingt ein Interview. Irgendwann traf er sie ohne ihre Entourage. Er bat sie um fünf Minuten, und sie sagte: "Warum sollte ich?"

Das heißt nicht, dass sie so arrogant ist, aber sie sagt sich: "Der bringt mir keine Stimme." Das ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Wie viele internationale Interviews gibt Barack Obama? So gut wie keine. Aber er verbringt Wochen in New Mexico, um spanisch sprechenden Radiostationen Interviews zu geben. Dort sind Wähler.

Also Sie werden ihn nie interviewen...
Nein, das glaub’ ich nicht. Der einzige Präsident, den ich je interviewen konnte, war Bill Clinton, und das nicht politisch aktuell. Obama und Austrian TV – ich wünsche meiner Nachfolgerin, (siehe unten) dass ihr das gelingt.

Sie twittern viel – privat oder als ORF-Journalist?

Ich mache da keinen großen Unterschied. Aber ich bin mir bewusst, wenn ich nicht im ORF wäre, hätte ich nicht 8000 Follower. Wäre ja hanebüchen, wenn ich behaupten würde, dass ich so eine G’scheitnase bin.

Ist Heimweh eine Berufskrankheit?
Wenn man das große Glück wie ich hat, die Familie dabei zu haben, ist das nicht so schlimm.

Es war also nicht Heimweh, das Sie bewogen hat, sich für die Leitung des Landesstudios Vorarlberg zu bewerben?
Das hätte mich interessiert, das ist eine schöne Aufgabe.

Probieren Sie es wieder?
Nein.

Was sagen Sie dazu, dass die TV-Debatte Obama-Romney nur auf ORF III zu sehen war?
Diese Entscheidung trifft natürlich nicht der Korrespondent in Washington. Ginge es nach mir, würde das natürlich auf allen Sendern gezeigt.

Wer gewinnt die Wahl?
Müsste ich 100 Euro wetten, würde ich 90 auf Obama setzen.

Info: Veit gilt als Nachfolgerin

Nach rund zehn Jahren als US-Korrespondent kehrt Hanno Settele mit Jahresende nach Österreich zurück und wird wieder als Redakteur in der "Zeit im Bild" arbeiten. Seine Nachfolgerin in Washington soll unbestätigten KURIER-Informationen zufolge Hannelore Veit werden. Die "ZiB"-Moderatorin arbeitete schon viele Jahre als Journalistin in den USA und in Japan.

7100 Beiträge und 14.300 Minuten aus aller Welt: Das ist die Bilanz 2011 der 26 ORF-Korrespondenten.

Diese arbeiten in 16 Büros weltweit: Belgrad, Berlin, Brüssel, Budapest, Buenos Aires, Istanbul, Kairo, London, Madrid, Moskau, Paris, Peking, Rom, Tel Aviv, und Washington, von wo aus auch Wolfgang Geier und Tim Cupal berichten. Ab 2012 berichtet zudem Raphaela Stefandl aus Zürich.

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