Nova Rock: Die Welt als Promille und Vorstellung

Nova Rock: Die Welt als Promille und Vorstellung
Die Rockfestivals sind nun auch in Österreich wieder zurück, und das ist gut so. Denn sie sind immer noch ein erstaunliches Phänomen.

Nickelsdorf ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält. Damit ist jetzt gar nicht der Gatschweltuntergang vom Auftakttag gemeint; der war nach ein paar Stunden Sonnenschein, ein paar Tonnen Holzschnitzel und ein paar Bechern Alkohol schon wieder vergessen.

Aber angehende Jungökonomen unter den Nova-Rock-Besuchern konnten etwa die bevorstehende Preisentwicklung von Lebensmitteln bereits jetzt am lebenden Objekt studieren (Döner um 9 Euro, nicht scharf. Und wie lieb klein diese Nudelboxen inzwischen geworden sind!).

 

Nova Rock: Die Welt als Promille und Vorstellung

Ebenso konnte man beobachten, wie große Gruppen reagieren, wenn sich Angebot (Klos) und Nachfrage (Harndrang) nicht auf dem selben Niveau treffen (Pinkelanarchie).

Und an den 55.000 Besuchern konnte man die Auswirkungen der Pandemie trefflich ablesen – und konkrete Gegenmaßnahmen lernen: Wer nach den Lockdowns nicht mehr ins Rockerobergewand passt, konnte dieses auf dem Festival ja glücklicherweise immer schon ablegen. Das wissen auch die Song-Contest-Gewinner Maneskin, die Teile des Gewands gleich zu Hause ließen und andere während ihrer Show loswurden.

Walle, walle

Andere Stars haben die Zeit im Heimstudio genützt, um das Kopfhaar einfach mal wachsen zu lassen: Peter Brugger von Sportfreunde Stiller hat sich in einen freundlichen Hippie verwandelt, der offen darüber redet, dass die Band in der Pandemiezeit eine Krise durchgemacht hat und früher nicht spielen konnte.

Brian Molko von Placebo wiederum ist inzwischen mit Wallemähne und Schnauzbart jederzeit für eine Retroserie über die späten 70er-Jahre einsetzbar.

Nova Rock: Die Welt als Promille und Vorstellung

Geprobt – Sie erinnern sich, kleine Welt, große Welt – wird beim Rockfestival an sich aber auch jenes Zusammenleben, das nach den Monaten der sozialen Distanzierung im echten Leben leider immer noch ordentlich knirscht. Hier aber funktioniert’s schon wieder.

Mit einer an Wurschtigkeit grenzenden Gesamttoleranz tummeln sich auf dem längst wieder staubigen Acker mehr als 50.000 Menschen, die nur von der Weite der elterlichen Wohnzimmercouch aus wie eine gleichförmige Masse an tätowierten Problembuben aussehen. Im Detail aber ist eines der Wunder der Rockmusik, welch unterschiedliche Partygängernuancen hier gemeinsamen Platz finden – verbunden durch eine Stimmung, die von „Laisser-faire“ bis zu „Passt schon, Prost!“ reicht.

Wie weit diese Toleranz reicht, zeigte sich etwa am späten Freitagabend: Die erstaunliche Band Heilung führte ihr neuheidnisches Neo-Folk-Performancetheater auf – felltragende Männer bliesen in Tierknochen, schwangen Speere und sangen das, was die Menschen in einem fiktiven neuen Mittelalter nach dem Untergang der Zivilisation wohl singen werden – und keiner lachte.

Nova Rock: Die Welt als Promille und Vorstellung

Kein Witz

Humor ist schließlich nicht die Note, die bei Rockfestivals gesucht wird, auch wenn viele der brüllenden Männer mit Stromgitarre auf der Bühne eigentlich etwas Witziges an sich haben. Aber man sucht mehr Spaß als Witz; und dieses Spaßhaben war wieder mal von allen Seiten gar sehr geplant abgewickelt. Aber trotzdem: Es gibt schlechtere Welten als jene, die hier geprobt wurde.

Kommentare