"Ben Hur": Der Sandalenfilm als Flip-Flop
Die Stern-Nummer 2586 auf dem Hollywood Boulevard gehört seit dem 11. August 2016 Roma Downey: Die Produzentin der neuesten "Ben Hur"-Verfilmung zählt laut dem Branchen-Blatt Variety zu den 100 einflussreichsten Frauen in Hollywood. Ihre Leistung: Sie will Gott und die christliche Botschaft durch ihr Schaffen bekannt machen und trägt dafür auch den Beinamen "Gottes Visitenkarte in Hollywood".
Der veritable Flop von "Ben Hur" könnte allerdings ein Anlass dafür sein, dass ihr – wenn schon nicht der Stern auf dem Hollywood Boulevard – so zumindest die göttliche Visitenkarte entzogen wird. Hundert Millionen Dollar hat der neue Sandalen-Film gekostet, bescheidene elf Millionen hat er am ersten Wochenende in den Vereinigten Staaten eingespielt, am zweiten waren es nur noch fünf Millionen.
Ist die Zeit wirklich reif für eine Neuinterpretation des Monumental-Epos? Oder ist sie nur ein weiterer Beweis für das kreative Loch, in dem Hollywood-Produzenten gerade stecken?
Ein echter Mensch
Nach all den computeranimierten Trick- und Comic-Figuren, die in diesem Sommer die Kinoleinwände bevölkern, wollte Hollywood offenbar wieder einmal einen menschlichen Helden in die Blockbuster-Schlacht werfen. Noch dazu einen, der zu keinem Geringeren als Jesus ein geradezu kumpelhaftes Verhältnis hat.
Der aufglimmende Heiligenschein über Hollywood erklärt sich am ehesten aus der verzweifelten Suche der Studiomanager nach einem Publikum, das zuverlässig in die Kinos strömt. Christen machen 70 Prozent der US-Bevölkerung aus, und unter denen wollten sie fündig werden – so wie das schon einmal funktioniert hatte: Der Monumentalfilm "Ben Hur" hatte 1959 die Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer vor dem Ruin gerettet, Charlton Heston unsterblich gemacht und mehrere Rekorde der Filmgeschichte gebrochen.
Mit einem Budget von 15 Millionen Dollar zählte er zu den aufwendigsten Produktionen der damaligen Filmgeschichte. Er spielte nicht nur 74 Millionen Dollar ein, sondern gewann elf Oscars. Dazu kam ein nicht unerwünschter, gesellschaftspolitischer Nebeneffekt: Gerade während der berüchtigten McCarthy-Ära in den USA (1947– 1956) wurden die Juden in der amerikanischen Filmindustrie wahlweise als Kapitalisten oder Kommunisten und vor allem auch als Christenfeinde verunglimpft.
Mehr Jesus
Nun bringt das erneut angeschlagene Hollywood-Studio MGM die Geschichte des jüdischen Sklaven noch einmal auf die Leinwand – mit einer wesentlich größeren Rolle für Jesus Christus. Was vor allem daran liegt, dass sich die Neuverfilmung enger an die Romanvorlage hält. Lew Wallace hatte damit 1880 einen der ersten historischen Bestseller geschaffen, dessen Auflage seinerzeit nur die Bibel zu schlagen vermochte.
Schon im Film von 1959 kreuzen sich die Wege von Ben Hur und Jesus Christus. So zeigt etwa der Prolog die Geburt Jesu, und Jahre später erkennt Ben Hur auf dem Kreuzweg in Jesus jenen Mann, der ihm einst in Nazareth zu trinken gegeben hatte.
William Wyler hatte in seinem Film Jesus eher wortkarg und immer nur von hinten gezeigt – im Halbschatten von Ben Hur.
Und was macht der Regisseur der Neuverfilmung? Er gibt Jesus das Gesicht eines glutäugigen Schönlings und lässt ihn fröhlich vor sich hin missionieren und philosophieren. Mit Dialogsätzen wie: "Du verwechselst Frieden mit Freiheit." Oder: "Liebe deine Feinde. Das ist sehr fortschrittlich."
Um noch kurz zu ergänzen, worum es in "Ben Hur" eigentlich geht: Um einen klassischen Stoff des Kinos eigentlich. Um den Konflikt zweier Freunde, die einander aus Jugendjahren kennen und letztlich als Feinde gegenüberstehen.
Auf der einen Seite der jüdische Fürst Judah Ben Hur, auf der anderen sein Jugendfreund Messala, der sich den Römern angeschlossen hat und als neuer Tribun nach Jerusalem kommt. Von seinem Jugendfreund fordert er, jene Leute auszuliefern, die sich gegen die römische Besatzung stellen. Ben Hur verweigert und wird als Sklave auf eine Galeere geschickt. Nach vielen Jahren treffen sie einander wieder: Beim berühmten Wagenrennen, einem Wettkampf auf Leben und Tod.
Zugunsten der Neuverfilmung kann man sagen: Sie besticht durch ihre Kürze, denn während William Wylers Epos beinahe vier Stunden dauerte, kommt der neue Film mit der Hälfte an Zeit aus. Auch das Wagenrennen bildet in der neuen 3-D-Version einen technisch perfekt gemachten Höhepunkt, der offenbar das gesamte 100-Millionen-Dollar-Budget verschlungen hat. Über den Rest des Geschehens und vor allem über die Schauspieler sollte man am besten die Toga des Schweigens breiten.
Von Gabriele Flossmann
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